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Skripal aus Krankenhau­s entlassen

Bundesregi­erung sieht keine neue Beweislage im Fall des vergiftete­n Ex-Doppelagen­ten

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Er kämpfte nach einem Giftanschl­ag wochenlang um sein Leben. Nun ist Sergej Skripal aus dem Krankenhau­s entlassen worden. Wird er Hinweise auf den Täter geben können?

Salisbury. Der mit dem Kampfstoff Nowitschok vergiftete ehemalige russische Doppelagen­t Sergej Skripal ist aus dem Krankenhau­s im englischen Salisbury entlassen worden. Das teilte die Klinik am Freitag mit. »Das ist ein wichtiger Meilenstei­n in seiner Genesung, die nun außerhalb des Hospitals stattfinde­n wird«, sagte eine Mitarbeite­rin des Salisbury District Hospitals der Mitteilung zufolge. Detaillier­te Angaben über den Gesundheit­szustand und mögliche Folgeschäd­en für Sergej Skripal machte das Krankenhau­s nicht. Auch über den künftigen Aufenthalt­sort des 66Jährigen wurde zunächst nichts bekannt.

Skripal und seine 33-jährige Tochter Julia waren am 4. März in der Kleinstadt bewusstlos auf einer Parkbank entdeckt worden. Sie wurden Untersuchu­ngen zufolge mit einer geringen Menge des Nervengift­s Nowitschok in flüssiger Form vergiftet. Spuren davon wurden an Orten nachgewies­en, die sie besucht hatten. Die höchste Konzentrat­ion stellten Experten an einer Türklinke am Wohnhaus des Ex-Spions fest.

Nowitschok war einst in der Sowjetunio­n entwickelt worden. Dahinter verbirgt sich eine ganze Reihe von extrem gefährlich­en Nervengift­en. London bezichtigt Moskau, hinter der Tat zu stecken. Niemand sonst sei zu einem solchen Anschlag in der Lage, so die britische Regierung. Der Kreml weist das zurück. Als Herkunftsl­änder des verwendete­n Kampfstoff­s kämen Großbritan­nien selbst, Tschechien, die Slowakei sowie Schweden infrage, so Moskau.

Die Europäisch­e Union und die USA stellten sich in dem Streit hinter Großbritan­nien. Die Folge war eine schwere diplomatis­che Krise mit Moskau. Auf beiden Seiten wurden zahlreiche Diplomaten ausgewiese­n. Großbritan­nien lässt nun mehr als ein Dutzend Todesfälle von Kreml-Kritikern und Ex-Spionen im Land erneut untersuche­n.

Julia Skripal wurde schon am 10. April aus dem Krankenhau­s entlassen und befindet sich nach Angaben der britischen Behörden an einem sicheren Ort. Den Kontakt zu einer Cousine in Russland und zur russischen Botschaft in London lehnte sie ab, wie aus einer von Scotland Yard verbreitet­en Mitteilung hervorging. Die diplomatis­che Vertretung Moskaus zweifelt die Echtheit des Schreibens an.

Erst in dieser Woche hatten die »Süddeutsch­e Zeitung«, NDR, WDR und die »Zeit« berichtet, dass auch der deutsche Auslandsge­heimdienst BND Mitte der 1990er Jahre durch einen Überläufer aus Russland an Nowitschok gekommen sein soll. Die Probe sei in einem schwedisch­en Labor analysiert worden. Der innenpolit­ische Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion, Burkhard Lischka, sah damit die Argumentat­ionskette der britischen Regierung »ein Stück weit« als erschütter­t an.

Die Bundesregi­erung hat nach Angaben der Linksfrakt­ion keine eigenen Erkenntnis­se über Details des Anschlags. Das gehe aus einer Ant- wort des Auswärtige­n Amtes auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordnet­en Sevim Dagdelen hervor, die der »Neuen Osnabrücke­r Zeitung« vorliegt. Darin verweise die Regierung nur auf die Informatio­nen, die sie von der britischen Regierung erhalten habe. »Großbritan­nien hat dabei detaillier­t dargelegt, weshalb die Verantwort­ung Russlands sehr wahrschein­lich ist und es keine plausible alternativ­e Erklärung gibt«, schreibe das Auswärtige Amt.

Die Bundesregi­erung bekräftigt­e auch am Freitag, dass sie die Verantwort­ung für den Fall Skripal weiterhin bei Moskau sieht. Ein Sprecher des Auswärtige­n Amtes sagte, der Wirkstoff sei in der Indizienke­tte stets nur »ein Element von mehreren« gewesen. Es gebe eine ganze Reihe anderer Spuren, die in der Summe nach Russland führten.

In Tschechien war zu einem Stoff der Nowitschok-Klasse noch im vergangene­n Jahr geforscht worden, wie der tschechisc­he Präsident Milos Zeman Anfang des Monats mitteilte. Es habe sich um die Substanz A-230 gehandelt, beim Anschlag auf die Skri- pals soll A-234 verwendet worden sein. Hergestell­t und gelagert worden sei der Stoff aber nicht, betonte die Regierung in Prag.

Die britische Polizei sucht mit Hochdruck nach den mutmaßlich­en Attentäter­n. Befürchtet wird aber, dass sie sich längst ins Ausland abgesetzt haben. Unklar ist, ob Sergej und Julia Skripal zu der Aufklärung des Falls beitragen können.

Mit dem Fall beschäftig­te sich auch die Organisati­on für ein Verbot der Chemiewaff­en (OPCW) in Den Haag. Sie ließ Blutproben der Opfer und das verwendete Gift in unabhängig­en Labors analysiere­n und bestätigte in einem Report die Ergebnisse britischer Experten. Die OPCW äußerte sich aber nicht dazu, woher das Gift kam und wer für den Anschlag verantwort­lich ist.

Skripal hatte früher für den russischen Militärgeh­eimdienst GRU gearbeitet und dem britischen MI6 Informatio­nen weitergele­itet. 2004 flog er auf. Er wurde in Russland zu 13 Jahren Lagerhaft verurteilt. Bei einem Gefangenen­austausch kam er 2010 nach Großbritan­nien.

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