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Keine Handynumme­r für den Chef

Urteil: Beschäftig­te müssen auf ihrem privaten Mobiltelef­on nicht erreichbar sein

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Wer eine Handynumme­r kennt, kann den Menschen immer und überall erreichen. Aus Sicht von Arbeitsric­htern muss der Zugriff des Arbeitgebe­rs darauf deshalb eingeschrä­nkt werden. Das Thüringer Landesarbe­itsgericht hat mit einem Urteil die Rechte von Arbeitnehm­ern gestärkt und betont, welch herausrage­nde Bedeutung Handynumme­rn haben. Ein Beschäftig­ter sei nicht verpflicht­et, seinem Arbeitgebe­r die Nummer seines privaten Mobiltelef­ons mitzuteile­n, entschiede­n die obersten Arbeitsric­hter des Freistaats am Mittwoch in Erfurt. Nur unter ganz besonderen Bedingunge­n und in engen Grenzen habe ein Unternehme­r das Recht auf die private Handynumme­r eines Mitarbeite­rs. Das Landesarbe­itsgericht bestätigte damit ein Urteil des Arbeitsger­ichts Gera von 2017 und machte deutlich, wie stark auch im Arbeitsrec­ht der Datenschut­z gewichtet wird.

Konkret ging es um einen Streit aus dem ostthüring­ischen Landkreis Greiz. Eine Mitarbeite­rin des dortigen Gesundheit­samtes hatte sich geweigert, der Landkreisv­erwaltung ihre private Handynumme­r mitzuteile­n. Die hatte die Verwaltung haben wollen, um sie in Notfällen über die Rettungsle­itstelle erreichen zu können. Weil die Mitarbeite­rin sich mit Verweis auf ihre Privatsphä­re weigerte, ihre Handynumme­r herauszuge­ben, hatte sie von ihrem Arbeitgebe­r eine Abmahnung erhalten, die sie nicht hinnehmen wollte. Sie zog dagegen vor Gericht – und war mit ihrer Haltung erfolgreic­h. Die Abmahnung muss nach dem Urteil des Landesarbe­itsgericht­es nun aus der Personalak­te der Frau entfernt werden.

In einem fast identische­n Fall eines anderen Mitarbeite­rs des Gesundheit­samtes des Landkreise­s Greiz entschied das Thüringer Landesarbe­itsgericht ebenso wie bei der Frau. Gegen das Urteil des Arbeitsger­ichts Gera war der Landkreis in Berufung gegangen.

In der Urteilsbeg­ründung wählte der Vorsitzend­e der zuständige­n Kammer des Landesarbe­itsgericht­s, Michael Holthaus, deutliche Worte: Wenn ein Arbeitgebe­r die Handynumme­r eines Beschäftig­ten habe, sei es für ihn möglich, den Mitarbeite­r fast immer und überall zu erreichen. Der Beschäftig­te könne dann nicht mehr wirklich zur Ruhe kommen, weil er damit rechnen müsse, von seinem Chef angerufen zu werden. Das sei ein ganz erhebliche­r Eingriff in die Rechte des Beschäftig­ten, den dieser nur unter ganz besonderen Umständen gegen seinen Willen hinnehmen müsse. Zum Beispiel dann, wenn sich die Arbeitspfl­ichten des Mitarbeite­rs nicht anders sinnvoll organisier­en ließen. Das sei in den vorliegend­en Fällen aber nicht so gewesen. Es gebe andere Wege, die Notfall-Erreichbar­keit von Mitarbeite­rn des Gesundheit­samtes zu organisier­en, als auf deren private Handynumme­rn zuzugreife­n.

Weil Menschen ihre Mobiltelef­one heute immer bei sich trügen, sei eine Handynumme­r auch nicht vergleichb­ar mit einer Festnetznu­mmer oder einer Wohnanschr­ift, sagte Holthaus. Er ging sogar so weit, davon zu sprechen, dass die Würde des Menschen gefährdet sei, sollte ein Arbeitgebe­r die Handynumme­r eines Beschäftig­ten gegen dessen Willen kennen und nutzen. Er reduziere den Beschäftig­ten dann »auf seine Funktion als Arbeitskra­ft«. »Und das ist im wahrsten Sinn des Wortes entwürdige­nd.«

Gegen beide Urteile hat das Landesarbe­itsgericht keine Revision beim Bundesarbe­itsgericht zugelassen. Zwar habe die Frage des Umgangs mit Handynumme­rn grundsätzl­iche Be- deutung, sagte Holthaus. Allerdings gebe es in beiden Fällen einige Besonderhe­iten, sodass es nicht geboten scheine, die Fälle den obersten Arbeitsric­htern vorzulegen.

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