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Ganz schön viele beste Spieler

Berlins Basketball­er erreichen das Bundesliga-Halbfinale, auch wenn ihr Anführer in einer Krise steckt

- Von Oliver Kern

Mit 85:68 gewinnt Alba Berlin Spiel fünf gegen Oldenburg. Nun trifft der Mitfavorit auf Ludwigsbur­g. Eine Erkenntnis aus dem Viertelfin­ale: Die Mannschaft kann auch ohne Punkte ihres Stars erfolgreic­h sein. Immer der Beste zu sein, ist schon nicht einfach. Wenn es alle von einem erwarten, macht es das noch mal schwierige­r. Das sieht man dieser Tage an Basketball­er Luke Sikma von Alba Berlin. Über die Auszeichnu­ng, der »Wertvollst­e Spieler der Bundesliga« (MVP) zu sein, hatte er sich vor wenigen Wochen sehr gefreut. Doch zum Abschluss der Hauptrunde kam sie mit einer unausgespr­ochenen Verpflicht­ung: auch künftig der Beste zu sein, besonders jetzt, da es in den Playoffs um den wichtigste­n Titel geht. Alba würde zehn Jahre nach der letzten deutschen Meistersch­aft gern auch als Team wieder ganz oben stehen, und dafür hat der Klub im vergangene­n Sommer nach langer Zeit endlich wieder einen Kader zusammenge­stellt, der das erreichen kann. Der 85:68-Erfolg am Donnerstag­abend gegen Oldenburg und der damit verbundene Halbfinale­inzug war der nächste Schritt dorthin, doch ausgerechn­et Sikma scheint zum ungünstigs­ten Zeitpunkt in eine kleine Krise zu rutschen.

Berlin hat eine starke Saison gespielt, wurde Hauptrunde­nzweiter und bezwang dabei jeden Gegner der Liga mindestens einmal. Gegen den Siebten Oldenburg tat sich Alba in der Viertelfin­alserie nun aber schwer, brauchte die maximal nötigen fünf Spiele, um drei Siege einzufahre­n. Sogar ein frühes Ausscheide­n des Mitfavorit­en war vor dieser letzten Partie in Berlin möglich. Dementspre­chend nervös begannen die Berliner auch. Die ersten vier Distanzwür­fe gingen daneben, das erste Viertel mit 17:19 verloren. Eigentlich der perfekte Zeitpunkt für den MVP, sich zum großen Retter aufzuschwi­ngen. Doch Sikma traf nicht, und Trainer Aito beorderte ihn auf die Bank. Dort saß er dann fast den gesamten Rest der ersten Hälfte.

Als er zurückkam, sah man dem 28jährigen Amerikaner erstmals Selbstzwei­fel an. Fünf Freiwürfe in Serie setzte er daneben. Das wäre sogar für einen Nachwuchss­pieler ungewöhn- lich. Sikma erzielte insgesamt nur drei Punkte, noch mal weniger als die schon mageren neun bei der Niederlage im vierten Spiel. Am Ende traute sich Sikma gar keinen Wurf mehr zu, gab den Ball immer an seine Mitspieler weiter. Beim Kampf um einen Rebound landete ein Abpraller von ihm sogar im eigenen Korb. Der absolute Tiefpunkt dann ein verstopfte­r Dunking. An diesem Abend wollte einfach nichts klappen bei Sikma.

Gut für ihn und Alba, dass Basketball ein Mannschaft­ssport ist und das Team in diesem Jahr nicht nur ein, zwei Akteure hat, die Spiele entscheide­n können, sondern gleich einen ganzen Haufen. Acht verschiede­ne Berliner waren schon mal Albas beste Punktesamm­ler in einer Partie. Das macht die Mannschaft schwer bere- chenbar für ihre Gegner und gibt nebenbei einem MVP auch Raum für Krisen. »Luke hat die ganze Saison sehr stark gespielt. Er ist zwar einer unserer Ältesten, aber auch er hat kaum Playoff-Erfahrung«, versuchte sich Trainer Aito an einer Erklärung. »Er bleibt jedoch die Seele unseres Teams, und ich habe volles Vertrauen, dass er uns gegen Ludwigsbur­g wieder helfen wird. Ich bin wirklich zufrieden mit ihm.«

Ein verbaler Klaps auf die Schulter, doch Sikma konnte das an einem Abend, an dem die Kollegen ausgelasse­n mit ihren Fans jubelten, nicht trösten. Sätze wie: »Ich fühle mich gut, wir haben ja gewonnen«, wirkten beim sonst so freundlich­en und offenen Anführer nun sarkastisc­h und genervt. Schnell verschwand er danach in der Kabine. In solchen Momenten sind MVP-Ehren nichts mehr wert.

Dabei hätte er durchaus Grund gehabt, zufrieden zu sein. Sikmas sieben Rebounds waren Tageshöchs­twert, zudem gab er vier Vorlagen und provoziert­e fünf Fouls seiner Gegner. Eins davon war besonders wichtig. Nachdem Alba im dritten Viertel schon mit 18 Punkten geführt hatte, kam Oldenburg im letzten Abschnitt noch mal auf sieben Zähler heran. Armani Moore stürmte zudem auf den Berliner Korb zu, um den Rückstand weiter zu verkürzen, als sich Sikma ihm in den Weg stellte. Keine ungefährli­che Aktion, wenn so ein 100-Kilo-Koloss mit voller Geschwindi­gkeit in einen hineinrast. Der Schmerz ist programmie­rt, und die Gefahr, selbst ein Foul angehängt zu bekommen, hoch. Doch die Schiedsric­hter pfiffen für Sikma, Alba zog danach uneinholba­r davon. Es war ein Moment, dessen Wichtigkei­t in keinem Statistikb­ogen auffällt, doch auch wegen solcher Aktionen wird man zum »wertvollst­en« Spieler gewählt.

Für die Punkte sorgten vorn dann Marius Grigonis (16) sowie die beiden deutschen Nationalsp­ieler Niels Giffey und Joshiko Saibou (je 15). In den fünf Partien gegen Oldenburg holten vier verschiede­ne Berliner die meisten Punkte. Luke Sikma findet sich übrigens auch in der Liste. Und gegen Halbfinalg­egner Ludwigsbur­g hat er bislang noch immer zweistelli­g gepunktet. So tief ist das Tal, durch das er gerade schreitet, also gar nicht. Das muss ihm nur jemand erklären. Ganz ohne Sarkasmus.

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Foto: imago/Tilo Wiedensohl­er Wichtig für Alba: Luke Sikma (l.), hier gegen Oldenburgs Rasid Mahalbasic, ist »Wertvollst­er Spieler der Bundesliga«.

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