Bayern München hat die doppelte Pokalchance
Endspiele in Köln und Berlin: Die FCB-Frauen müssen gegen Wolfsburg ran, die Männer messen sich mit der Frankfurter Eintracht
Im Pokalfinale der Frauen sind die Bayern nur Außenseiter gegen den VfL Wolfsburg, dessen Fußballerinnen noch um das Triple kämpfen. Thomas Wöhrle kann sich noch lebhaft an das letzte Pokalfinale der Münchner Fußballerinnen erinnern. Bei der dritten Endspielteilnahme gelang den Frauen des FC Bayern der bislang einzige Erfolg, ein 2:0 gegen den 1. FFC Frankfurt in Köln. Fünf Stunden später an jenem 12. Mai 2012 zerlegte Dortmund die stolze Männerabteilung der Bajuwaren in Berlin mit 5:2. Wobei Wöhrle, schon damals Cheftrainer der FCB-Kickerinnen, das kleine Trostpflaster für die Klubbosse kennt. »Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß haben vor sechs Jahren unser Finale im TV verfolgt. Sie waren begeistert«, erzählt der 36-Jährige am Freitag in Köln.
Die Metropole am Rhein ist am Samstag zum neunten Mal in Folge Gastgeberin des Frauenendspiels. Diesmal fordern die Bayern die frisch gekürten Meisterinnen aus Wolfsburg heraus. »Wir sind klarer Außenseiter, dürfen gegen die vielleicht beste Mannschaft Europas spielen. Das ist grandios für uns«, betont Wöhrle. Die Favoritenrolle will Lena Goeßling auch gar nicht abgeben. Wolfsburgs Nationalspielerin betont im Namen des viermaligen Meisters und Pokalsiegers 2013 und 2014 sowie Champions-League-Siegers: »Man kann immer noch mehr Titel gebrauchen.«
Das ist auch das Motto der Münchner Männer, die sich am Abend in der Hauptstadt mit Frankfurt duellieren. Der Verein aus dem Freistaat kann an einem Tag also zwei Trophäen abräumen. Der Idee, einen möglichen Doppelerfolg in München gemeinsam zu feiern, begegnet Wöhrle aber recht devot. »Wir haben noch ein Spiel zu spielen. Es war gar nicht in meinem Fokus, darüber nachzudenken«, erklärt er. Und ergänzt: »Meisterschaften haben wir auch schon mal zusammen gefeiert. Der Verein ist sehr bemüht, gemeinsam aufzutreten.«
Mittelfeldspielerin Melanie Leupolz, die neben Wöhrle sitzt, hat den Worten ihres Trainers nichts hinzuzufügen – sie lächelt. Ebenso die 32jährige Goeßling, die vier Stühle weiter neben VfL-Coach Stephan Lerch Platz genommen hat und sich einen Kommentar zu einer denkbaren Double-Feier auf dem Wolfsburger Rathausplatz verkneift. Im Vorjahr wurde der Termin gestrichen, weil die VfL-Männer gerade um ihre Zugehörigkeit zur Bundesliga bangten. »Die Mannschaft hat es zuerst aus den Medien erfahren. Das tut uns schon weh«, sagte Lerchs Vorgänger Ralf Kellermann, inzwischen zum Sportlichen Leiter aufgestiegen, damals über die Entscheidung der Klubspitze, die Feierlichkeiten auf den Beginn der nächsten Saison zu verlegen. Aus Rücksicht auf die prekäre Lage der VfL-Männer.
Nun ist die Situation ähnlich: Wolfsburgs Herrschaften gehen nach dem 3:1 im Relegationshinspiel gegen Zweitligist Kiel am Montag ins entscheidende Duell. Und gefeiert wird bei den VfL-Frauen, die am Donnerstag kommender Woche noch im Königsklassenfinale gegen Olympique Lyon antreten, erneut erst später. Am 3. Juni bestreiten die Wolfsburgerinnen ihr letztes Ligaspiel gegen Köln. Lerch berichtet: »Der Oberbürgermeister hat angekündigt, dass es dann eine Ehrung am Rathaus geben wird. Darauf freuen wir uns.« Am Donnerstagabend verfolgte sein Team das erste Relegationsspiel der Männer. »Wir haben die Daumen gedrückt. Das ist ein Verein, man verfolgt das«, erwähnt Lena Goeßling. Und lächelt dazu ein bisschen. Alles schaut auf Jupp Heynckes und Niko Kovac. Der alte Trainer von Bayern München geht, der künftige kann seinem neuen Verein das Double versauen. Ein Double-Abschied von Jupp Heynckes oder das Hollywood-Ende von Niko Kovac, Trostpreis für Bayern München oder Hauptgewinn für Eintracht Frankfurt: Das 75. DFBPokal-Finale entscheidet maßgeblich über das Saisonzeugnis der Klubs und ihrer Trainer. Der Rekordsieger aus München will Heynckes unbedingt mit dem 19. Triumph in den Ruhestand schicken – und dessen Nachfolger schon mal zeigen, was bald von ihm erwartet wird. Das Duell zwischen Gegenwart und Zukunft taten beide Trainer am Tag vor dem Endspiel aber als »mediales Thema« ab, sie lenkten das Augenmerk auf den Sport. Er sehe die Kräfteverhältnisse »nicht so eindeutig wie die Öffentlichkeit«, sagte Heynckes, der sein letztes Spiel auf der Trainerbank bestreiten wird: »Wir sind gewarnt, denn im Fußball ist alles möglich.« Damit das schier Unmögliche – der fünfte Pokalerfolg der Frankfurter – eintritt, »müssen wir an unser Maximum kommen und die Bayern einen nicht so guten Tag erwischen«, sagte Kovac, der ab dem 1. Juli an der Säbener Straße die Kommandos geben wird und Bundestrainer Joachim Löw Recht gab, der meinte: »Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Bayern gewinnen werden.«
Nur dann wären die Münchner halbwegs zufrieden, nur dann wäre halbwegs zu ertragen, dass das Triple erneut verpasst wurde. »Das ist ein Titel, den wir jetzt unbedingt noch haben möchten und unserem Trainer schuldig sind«, sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge dem Münchner Merkur.
Während Heynckes den goldenen Pokal am Freitag während der Pressekonferenz allerdings keines Blickes würdigte, untermauerten seine Schützlinge die Bedeutung. »Das Pokalfinale, das weiß jeder, ist ganz wichtig für uns, um die Saison positiv abzuschließen«, sagte Nationalspieler Thomas Müller, der nach überstandenem Infekt von Anfang an spielen soll und mit Blick auf Kovac ergänzte: »Titel wollen wir mit ihm erst holen, wenn er bei uns auf der Bank sitzt.«
Kovac selbst stünde ein abschließender Erfolg ebenfalls gut zu Gesicht, schließlich war die Kritik an seiner Person und den schwachen Auftritten im Saisonendspurt zuletzt heftig. Als ein »echtes Hollywood-Ende« einer »kurzen Zeit, in der wir schöne Erfolge gefeiert haben«, bezeichnete Frankfurts Sport- vorstand Fredi Bobic einen möglichen Sieg. Dafür ist Kovac freilich auf die Leidenschaft und Hingabe der Spieler angewiesen.
»Wir sind in der Lage, alles umzubiegen und zum Abschied noch mal ein großes Fest zu feiern«, versprach Führungsspieler Kevin-Prince Boateng, der in der Partie, die über 74 000 Zuschauer im Olympiastadion sowie Fans in 185 Ländern am Fernseher sehen werden, nicht auf seinen Bruder Jérôme treffen wird. Zudem fehlt bei Bayern auch der verletzte Arjen Robben. Dafür beorderte Heynckes einen anderen Schlüsselspieler in den Kader: Torwart Manuel Neuer. Im Tor beginnen werde aber »Pokalheld« Sven Ulreich, sagte Heynckes, mit Neuer habe er »keinen Plan. Ich habe einen Matchplan, wie wir spielen wollen. Wir wollen den Fans ein gutes Spiel zeigen und noch einen Höhepunkt hinzufügen.«