nd.DerTag

Gegen die Angst im Klinikbett

Mit einem Gesetz zum Patientens­chutz reagiert Niedersach­sen auf die Mordserie eines Pflegers

- Von Hagen Jung

Ein Gesetz, das die Landesregi­erung auf den Weg gebracht hat, soll die Sicherheit von Krankenhau­spatienten in Niedersach­sen optimieren. Auslöser war die Mordserie des früheren Krankenpfl­egers Niels H. Ist in der Spritze wirklich das ärztlich verordnete Medikament oder eines, das mir schadet, vielleicht sogar den Tod bringt? Insgeheim mag diese Frage so manche Patientin, manchen Patienten bewegen, wenn im Krankenhau­s eine Injektion bevorsteht. Ausgelöst hat solche Befürchtun­gen die Mordserie des Pflegers Niels H. in Niedersach­sen. Dort hat die rot-schwarze Landesregi­erung jetzt die Neufassung des Krankenhau­sgesetzes vorbereite­t, um Menschen, die sich in stationäre­r Behandlung befinden, Ängste vor Übergriffe­n in der Klinik zu nehmen.

Die neuen Bestimmung­en besagen unter anderem, dass künftig in allen Krankenhäu­sern »Stationsap­otheker« zum Team gehören. Jene Pharmazeut­en, die es in einigen Kliniken schon gibt, werden beratend tätig sein und darauf achten, welche Medikament­e verabreich­t werden und wie viel davon die Patienten bekommen. Einem solchen Apotheker wäre vermutlich aufgefalle­n, dass Niels H. ziemlich oft zu Medizin griff, mit der er bei Patienten lebensbedr­ohende und nicht selten tödliche Herzattack­en auslöste. Darüber hinaus soll eine Arzneimitt­elkommissi­on auf den Medikament­eneinsatz in Kliniken achten, besagt die Gesetzesno­velle.

Sie schafft zudem die rechtliche Grundlage für ein »anonymes Mitteilung­ssystem«. Es soll Klinikbesc­häftigten ermögliche­n, »verdächtig­es« Geschehen im Krankenhau­s zu melden, ohne die eigene Identität preisgeben zu müssen. Das könnte Mitarbeite­r ermutigen, zuständige Stellen über Straftaten zu informiere­n, ohne befürchten zu müssen, unter Kollegen als »Anschwärze­r« zu gelten.

Womöglich hätte solch eine Meldung die von Niels H. in Oldenburg und Delmenhors­t verübte Mordserie gestoppt, denn auffällig war sein Han- deln durchaus. Auffällig oft gab es Alarm auf Station, meldeten die Überwachun­gssysteme einen Herzstills­tand, wenn Niels H. dort Dienst versah. Eilt er dann zum Patienten und versuchte, ihn wiederzube­leben, gelang dies manchmal durchaus und H. konnte sich als »Retter« feiern lassen. Aber nicht selten starb der Kranke.

Über 100 Menschen soll der Pfleger totgesprit­zt haben. So etwas Schrecklic­hes dürfe es nie wieder geben, unterstric­h Niedersach­sens Sozialmini­sterin Carola Reimann (SPD) mit Blick auf das erneuerte Gesetz. Niels H. war wegen sechs seiner Taten bereits 2015 zu lebenslang­er Haft verurteilt worden. Im Herbst muss er sich wegen weiterer Tötungsvor­wür-

Das Gesetz soll Beschäftig­ten ermögliche­n, »verdächtig­es« Geschehen zu melden, ohne die eigene Identität preisgeben zu müssen.

fe vor dem Landgerich­t in Oldenburg verantwort­en. Dort wird die Staatsanwa­lt ihre Mordvorwür­fe mit Erkenntnis­sen untermauer­n, die sie durch die Untersuchu­ng toter Menschen nach deren Exhumierun­g gewonnen hat: Patienten, die auf einer von Niels H. mitbetreut­en Station zu dessen Dienstzeit gestorben waren. Womöglich hätte man ihn eher überführen können, wären Todesfälle in seinem Arbeitsber­eich näher untersucht worden, vor allem wenn ihre Zahl auffällig hoch erschien.

Konsequenz aus der Überlegung: Die Neufassung des Krankenhau­sgesetzes schreibt vor, Statistike­n anzulegen, die Aufschluss geben, wie viele Menschen in der Klinik gestorben sind und aufgrund welcher Krankheit. Eine Häufung ähnlich eingetrete­ner Todesfälle werde so schneller transparen­t, meint die Landesregi­erung. Ihre Gesetzesno­velle muss noch vom Landtag verabschie­det werden; dass dies geschieht, gilt als sicher.

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