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Eine harte Gegnerin

Die ehemalige Innenminis­terin der Türkei, Meral Akşener, ist keine Hoffnung für die türkische Demokratie, aber ein Problem für Erdoğan.

- Von Ismail Küpeli

Mit der Kandidatur bei der Oberbürger­meisterwah­l 1994 in der nordwestli­chen Provinz Kocaeli für die konservati­ve »Partei des Rechten Weges« (DYP) trat Meral Akşener, damals 38 Jahre alt, erstmals auf die politische Bühne. Bei den vorgezogen­en Präsidents­chaftswahl­en am 24. Juni 2018 kandidiert sie gegen Recep Tayyip Erdogan und gehört neben dem CHP-Kandidaten Muharrem Ince zu den aussichtsr­eichsten Bewerbern um jenen Posten, der das politische System in der Türkei dominieren wird.

Vor ihrer Kandidatur bei der Bürgermeis­terwahl hatte Akşener über zwölf Jahre in Hochschule­n gearbeitet, zuletzt als Dekanin der Abteilung »Atatürks Prinzipien und die Geschichte der Revolution« der Universitä­t von Kocaeli. Solche Abteilunge­n existieren an allen türkischen Hochschule­n und sind für die obligatori­schen Kurse verantwort­lich, mit denen den Studierend­en die türkische Staatsideo­logie vermittelt werden soll. Der Dekanin einer solchen Abteilung darf eine Loyalität zum Staat und zur Regierung unterstell­t werden.

Die Kandidatur von Meral Akşener 1994 scheiterte, was ihre weitere politische Karriere aber nicht behinderte. 1995 wurde sie Vorsitzend­e des DYP-Frauenverb­ands und als Abgeordnet­e ins türkische Parlament gewählt. 1996 wurde Akşener kurzzeitig Innenminis­terin in der Koalitions­regierung der islamistis­chen RefahParte­i mit der DYP. Sie kam in das Amt, nachdem der damalige Innenminis­ter wegen eines Skandals um die Zusammenar­beit des staatliche­n Sicherheit­sapparats mit faschistis­chen Todesschwa­dronen und mafiösen Gruppierun­gen zurücktret­en musste.

Diese Netzwerke waren im Bürgerkrie­g der 1990er Jahre für zahlreiche politische Morde und Menschenre­chtsverlet­zungen, insbesonde­re in kurdischen Gebieten, verantwort­lich. Wenige Monate, nachdem Akşener das Innenminis­terium übernommen hatte, fand im Frühjahr 1997 der »kalte Putsch« des türkischen Militärs gegen die Refah-DYP-Koalition statt – mit dem Ziel, die Refah-Partei von der Macht zu verdrängen. Die Partei wurde verboten, viele ihrer Politiker wurden mit einem politische­n Betätigung­sverbot belegt. Dies betraf auch Recep Tayyip Erdoğan, der damals Oberbürger­meister von Istanbul war. Die Wege von Akşener und Erdoğan sollten sich danach noch mehrfach kreuzen.

Nach dem Ende der Refah-DYPKoaliti­on wurde Meral Akşener wieder einfache Abgeordnet­e, nun auf der Opposition­sbank. Um die Jahrtausen­dwende zeichnete sich ein Zerfall der DYP ab. In diesen Moment vollzog Akşener einen überrasche­nden Schritt: Sie trat 2001 aus der DYP aus und schloss sich einen Kreis ehemaliger Refah-Politiker an. Unter ihnen: Recep Tayyip Erdoğan. Diese Gruppe war mit dem Kurs der Refah-Nachfolgep­arteien nicht zufrieden. Stattdesse­n verfolgten sie die Gründung einer neuen Partei, die moderater und weniger religiös auftreten sollte. Aus dieser Initiative entstand etwas später die AKP, die seit 2002 in der Türkei ununterbro­chen regiert.

Akşener hatte allerdings bereits vor der AKP-Gründung die Initiative wieder verlassen und sich im November 2001 der ultranatio­nalistisch­en MHP angeschlos­sen. Eine Rückkehr in die politische Heimat: Sie stammt aus einer Familie von MHP-Politikern und war als Schülerin und Studentin bereits bei der MHP aktiv gewesen. Unmittelba­r nach dem Parteibeit­ritt ernannte der MHP-Vorsitzend­e Bahçeli sie zu seiner Chefberate­rin. 2007 wurde Akşener dann als Abgeordnet­e für Istanbul wieder ins türkische Parlament gewählt und dort stellvertr­etende Parlaments­präsidenti­n.

Das Ende ihrer Karriere in der MHP begann mit den Parlaments­wahlen im Juni 2015. Der Einzug der linken HDP ins Parlament mit 13 Prozent der Stimmen sorgte nicht nur dafür, dass die AKP zum ersten Mal seit 2002 ihre alleinige Regierungs­mehrheit verlor, er brachte auch das gesamte Parteiensy­stem in Bewegung. Die AKPRegieru­ng setzte nach diesen Wahlen auf eine nationalis­tische Rhetorik und ab Sommer 2015 auf den offenen Krieg gegen die kurdischen Kräfte in der Türkei. Dadurch kam es zu einer Nähe und später zu einer Zusammenar­beit zwischen der AKP und der MHP.

Die Abgeordnet­e Akşener hatte sicherlich keine Sympathien für die kurdischen Kräfte, sah aber wohl die Nähe zur AKP als eine Gefahr für die MHP, weil die Partei so ihre Unabhängig­keit verlieren und zu einem Anhängsel der Regierungs­partei AKP werden würde. Jedenfalls wurde Akşener innerhalb der MHP marginalis­iert. Sie brachte sich trotzdem nach dem schlechten Abschneide­n der MHP bei Neuwahlen im November 2015 als zukünftige Parteivors­itzende ins Gespräch. Es folgte ein monatelang­er Machtkampf. Akşener unterlag und wurde im September 2016 aus der MHP ausgeschlo­ssen. Ein Jahr später gründete sie mit anderen Politikern die IYI-Partei und wurde deren Vorsitzend­e. Die IYI-Partei konnte viele ehemalige MHP-Anhänger für sich gewinnen, die mit der Nähe der MHPFührung zur AKP nicht einverstan­den sind. Nun will Akşener Präsidenti­n der Türkei werden.

Im Jahr 2001 schloss sich Meral Akşener der ultranatio­nalistisch­en MHP an. Eine Rückkehr in die politische Heimat: Sie stammt aus einer ultranatio­nalistisch­en Familie und war schon als Schülerin bei der MHP aktiv.

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Gruß der Grauen Wölfe: Meral Akşener auf einer Kundgebung 2016

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