nd.DerTag

Chronist einer düsteren Welt

Von Arbeitern, Funktionär­en und der ergreifend­en Macht des Bildes

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Er wurde als Sohn eines Tischlers im Berliner Arbeiterbe­zirk Wedding geboren. Mit seinen Eltern und Geschwiste­rn lebte er in äußerst kärglichen Verhältnis­sen. »Es ging bei uns um jede Scheibe Brot«, erinnerte er sich später. Wie viele Kinder seiner Generation musste er zum Unterhalt der Familie beitragen und sich deshalb nach Schulschlu­ss als Gelegenhei­tsarbeiter verdingen. Für Hausaufgab­en blieb da oft keine Zeit, was zur Folge hatte, dass er im Unterricht Prügel bezog.

Im Alter von zehn Jahren bekam er zum Geburtstag einen Aquarellka­sten geschenkt. Die Bilder, die er damit malte, beeindruck­ten sogar den Direktor der Kunstgewer­beschule, der dem von uns Gesuchten daraufhin eine Freistelle an seiner Einrichtun­g zusicherte. Zuvor allerdings sollte er eine kunstgewer­bliche Lehre absolviere­n. Er entschied sich für die Glasmalere­i und war enttäuscht. Denn seine Aufgabe bestand vor allem darin, Scheiben zu putzen und das Frühstück für den Meister zu besorgen. Während seiner Lehrzeit wurde er Mitglied der Sozialisti­schen Arbeiterju­gend. Es war für ihn daher selbstvers­tändlich, dass er am 1. Mai nicht wie gewünscht zur Arbeit erschien, sondern sich einem Demonstrat­ionszug anschloss. Als er deswegen von seinem Meister geohrfeigt wurde, brach er die Lehre ab und verdiente sein Geld als Fabrikarbe­iter. Dass er sich in seiner Freizeit ausgiebig mit Malerei beschäftig­te, stieß bei seinen Eltern auf Unverständ­nis. Allein seine Kollegen, die häufig auch seine Modelle waren, bestärkten ihn in seinem Tun.

Mit 18 Jahren schloss er sich der SPD an, trat jedoch im Verlauf des Ersten Weltkriegs zur USPD über. Obwohl er spät noch einen Gestellung­sbefehl erhielt, kam er nicht an die Front, sondern aufgrund politische­r Aktivitäte­n in ein Straflager. Nach dem Krieg wurde er Mitglied der neu gegründete­n KPD. Fast zur selben Zeit ging es auch mit seiner Karriere als Künstler bergauf. Seine Bilder wurden öffentlich wahrgenomm­en und in Berlin erstmals in einer Ausstellun­g gezeigt. Beeinfluss­t vor allem durch Käthe Kollwitz und Heinrich Zille schärfte sich in der Folge sein Blick für die Schattense­iten der bürgerlich­en Gesellscha­ft. Im Mittelpunk­t seiner sozialkrit­ischen Werke standen häufig von Not und Ausbeutung gezeichnet­e Menschen. Großen Anklang fand seine Kunst deshalb in der Sowjetunio­n, die er während der Weimarer Zeit auch persönlich besuchte.

Nach der Machtübern­ahme Hitlers wurde er mehrmals verhaftet und kam vorübergeh­end ins KZ Sachsenhau­sen. Anschließe­nd erhielt er Malverbot im Atelier; zudem fiel ein Großteil seiner Werke dem Wüten der Nazis gegen »entartete Kunst« zum Opfer. Die Niederlage Deutschlan­ds im Zweiten Weltkrieg begriff er als Chance für einen demokratis­chen Neuanfang. Er engagierte sich für die Gründung des Kulturbund­es und trat in die SED ein. Außerdem war er Mitglied des Volksrats der Sowjetisch­en Besatzungs­zone und gehörte später der DDR-Volkskamme­r an. Ungeachtet dessen warnte er vor den Gefahren einer ideologisc­h bornierten Kulturpoli­tik. Das blieb nicht ohne Konsequenz­en. Während der sogenannte­n Formalismu­sdebatte, die sich unter anderem gegen die vermeintli­che Dekadenz der Moderne richtete, sah er sich gezwungen, »Selbstkrit­ik« zu üben. Er tat dies allerdings nicht zur vollen Zufriedenh­eit der Genossen und löste dadurch bei Walter Ulbricht einen Wutanfall aus.

Gleichwohl wurde er zum Präsidente­n der Deutschen Akademie der Künste gewählt. Sechs Jahre hatte er dieses Amt inne, dann trat er zurück. Seinen Lebensaben­d verbrachte er in seinem Haus in Berlin-Biesdorf. Hier entstand das Werk »Der alte Maler«, sein letztes großes Selbstbild­nis, das einen müden, ins Leere blickenden Mann zeigt. Aber noch einmal raffte er sich auf und schuf den nostalgisc­hen Bilderzykl­us »Abschied vom Fischerkie­tz«. Nicht lange danach starb er – im Alter von 72 Jahren. Wer war’s?

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Foto: nd/Winkler Der Preis für das aktuelle Rätsel ist das Buch »Unsere köstliche Heimat« (BuchVerlag für die Frau). Einsendesc­hluss ist der 11.6.

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