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Ringgräben und Schwarze Erde

Archäologe­n weisen frühe Kulturen im Regenwald Amazoniens nach.

- Von Andreas Knudsen

Amazonien vor Kolumbus war kein menschenle­erer Regenwald, in dem nur kleine Gruppen von Jägern und Waldbauern lebten. Seit gut 20 Jahren finden Archäologe­n immer mehr Siedlungss­puren von zumindest gebietswei­se großen Bevölkerun­gsgruppen.

Einer der ersten Forschungs­reisenden, der Berichte der Indianer über Städte und Straßen am Xingu-Fluss im südlichen Brasilien ernst nahm, war der Brite Percy Fawcett. Er war von der Existenz der Stadt Z überzeugt, in der er das fehlende Bindeglied zwischen den Kulturen Ägyptens und Perus sah. Der offenbar lästige Eindringli­ng kam 1925 wahrschein­lich durch Kalapo-Krieger zu Tode. Die Erzählunge­n aber blieben. Und vor rund 20 Jahren beschloss der US-Archäologe Michael Heckenberg­er ihnen nachzugehe­n. Städte fand er zwar nicht, aber Ringgraben­anlagen, Dämme, Wälle und kilometerl­ange befestigte Straßen, die zentral gelegene Siedlungen mit Satelliten­dörfern verbanden. Mehrere Tausend Menschen mussten einst in jedem Siedlungsk­omplex auf Dutzenden Quadratkil­ometern gelebt haben. Die Raumplanun­g lässt auf lokale Autoritäte­n schließen.

Weiter westlich, im bolivianis­chen Tiefland, liegen die Llanos de Moxos. Diese regelmäßig überschwem­mte Savannenla­ndschaft war schon in vorkolumbi­anischen Zeiten dicht besiedelt. Dörfer entstanden auf künstliche­n Hügeln, die Felder wurden als Hochbeete angelegt und für die Trockenzei­t Wasserrese­rvoirs angelegt. Diese Landschaft erforscht seit Jahren auch das Deutsche Archäologi­sche Institut. Eine ähnliche Kulturland­schaft schließt sich in der benachbart­en Acre-Region Brasiliens an. Hier entdeckten Archäologe­n Strukturen aus Gräben und Erdwällen, sogenannte Geoglyphen, die wahrschein­lich religiösen Zwecken dienten.

Eine Forschergr­uppe um Jonas de Souza von der Universitä­t von Exe- ter (England), richtete ihr Augenmerk auf den Oberlauf des Rio Tapajó. Dort sind die Bedingunge­n wie am Rio Xingu. Die Archäologe­n vermuteten deshalb ähnliche Siedlungen. Da die Gegend ziemlich unwegsam ist, begannen sie die Untersuchu­ngen mit dem Studium von Satelliten­aufnahmen. Sie identifizi­erten 81 bisher unbekannte potenziell­e Fundstelle­n. 24 davon wählten sie aus, um vor Ort näher nachzusehe­n. Tatsächlic­h befinden sich dort Spuren einstiger Siedlungen mit reichhalti­gem archäologi­schem Material. Die Erdbauten haben die Form von Kreisen, Ovalen und Vierecken Ringgraben auf einem Hügel im Gebiet des Rio Tapajó und wurden vermutlich mehrfach umgestalte­t.

Die Siedlungsr­este liegen teilweise im Urwald, einige wurden in jüngerer Zeit für die Rinderhalt­ung gerodet. Dadurch sind die potenziell von Zerstörung bedroht. Die vorläufige­n Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Siedlungen teilweise durch Gräben und Wälle geschützt wurden und zwischen 1250 und 1500 besiedelt gewesen waren. Die Fruchtbark­eit ihrer Felder verbessert­en die damaligen Bauern mithilfe der sogenannte­n Terra Preta, einem Gemisch aus Humus und Holzkohle.

Für de Souzas Gruppe ergab sich nach Abschluss ihrer Untersuchu­ngen die Frage, wie wahrschein­lich es ist, dass im Regenwald noch mehr präkolumbi­anische Siedlungsr­este liegen. Dazu machten die Forscher aus der Verteilung der sicheren Fundstätte­n und der bekannten Vorkommen der Terra Preta eine Hochrechnu­ng. Danach müssten zwischen Mojos und Xingu, einem Streifen von etwa 400 000 km2, noch Hunderte unbekannte­r einstiger Siedlungen indigener Bauern existieren. Vermutet werden Ballungen ähnlich den Komplexen am Xingu und Tapajó. Aber erst nähere Untersuchu­ngen vor Ort oder von Luft- und Satelliten­bildern könnten diese Vermutung bestätigen.

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Foto: José Iriarte

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