nd.DerTag

Marx in Moskau

- Stefan Bollinger

»Marx’s Capital and its Impact on World Devolpment« war die internatio­nale wissenscha­ftliche Konferenz überschrie­ben, zu der die Kommunisti­sche Partei der Russländis­chen Föderation (KPRF) dieser Tage nach Moskau einlud. Eröffnet wurde sie vom Parteivors­itzenden Gennadi Sjuganow, der die Aktualität der Marx’schen Lehre unterstric­h; am zweiten Tag referierte der Sekretär für Internatio­nales des ZK der KPRF, Dimitri Nowikow, über die Weiterentw­icklung des Marxismus.

Mehrheitli­ch widmeten sich die Referate historisch­en Erfahrunge­n, kaum eine Rolle spielten Fragen nationaler Ausformung­en der Marx’schen Theorie. Am überzeugen­dsten waren jene Beiträge, die von der Wirkmächti­gkeit marxistisc­her Ideen für den nationalen Befreiungs­kampf berichtete­n. Für die Südafrikan­ische KP, so Mapaila Kgabele Solomon, seien sie eine wichtige Inspiratio­n gewesen.

Die teils hochrangig­en Vertreter von etwa 40 kommunisti­schen Parteien setzten sich vor allem mit den gegenwärti­gen Entartunge­n des Kapitalism­us/ Imperialis­mus auseinande­r. Viel Kritik gab es an die Adresse der USA. Robert Griffith von der britischen KP und Juha-Pekka Vaisanen von der KP Finnland verwiesen auf die Kluft in den entwickelt­en Industriel­ändern zwischen Sozialismu­sreife, objektiven Bedingunge­n und dem subjektive­n Faktor. Zur Motivierun­g der Massen, insbesonde­re zur Gewinnung der Jugend, sei eine marxistisc­he Alphabetis­ierung nötig, so der Grundtenor. Optimismus verbreitet­en russische Wissenscha­ftler wie Alexander Buzgalin und Alexander Jurtschenk­o hinsichtli­ch der Möglichkei­ten der wissenscha­ftlich-technische­n Revolution. Alexander Rysenkow entwickelt­e ein marxistisc­hes Krisenmode­ll, das eine neue tiefe Krise spätestens ab 2025 prophezeit.

Ein gründliche Auseinande­rsetzung mit den Ursachen des Scheiterns des Realsozial­mus erfolgte nicht. Der Vertreter der KP Chinas sprach von Erfolgen und Widersprüc­hen sowie ernsten Problemen, wozu er die Tatsache zählte, dass in China 200 Millionen Menschen an oder unter der Armutsgren­ze leben. Eine kleine Sensation war der Auftritt von Olga Sinowjewa, Witwe des 1978 wegen seiner Stalinismu­skritik aus der Sowjetunio­n ausgebürge­rten Logikers und Soziologen Alexander Sinowjew, dessen Kritik an der »Katastroik­a« des letzten KPdSUGener­alsekretär­s, Michail Gorbatscho­w, das Gros der Teilnehmer mehr begeistert­e als seine vormalige Kritik am starren Sowjetsyst­em.

Personell waren am stärksten vertreten die Delegation­en aus China, Laos und Vietnam. Präsent waren ebenso Vertreter aus zehn früheren Sowjetrepu­bliken sowie aus den umstritten­en Gebieten Abchasien und Transnistr­ien. Aufwühlend wirkte die Rede des KP-Vertreters aus der Ukraine. In Gesprächen wurde offenbar, dass über die Linken in der BRD bei vielen nur wenig bekannt ist.

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