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Frankfurt feiert, München murrt

DFB-Pokal: Eintracht gewinnt ersten Titel seit 30 Jahren, der FC Bayern könnte profitiere­n

- Von Alexander Ludewig

Niko Kovac krönt seine Zeit in Frankfurt mit dem Pokalsieg und wurde dafür jetzt trotz des Wechsels zum FC Bayern gefeiert. In München hofft man auf eine ganz besondere Qualität des Trainers. Frankfurt wird noch lange feiern. Wie lange, das wusste Marius Wolf Samstagnac­ht auch noch nicht genau. Aber der Mittelfeld­spieler von Eintracht Frankfurt korrigiert­e sich nach dem 3:1-Sieg im Pokalfinal­e gegen den FC Bayern München sofort: »Das wird eine lange Nacht, nein, das wird eine lange, lange Woche.« Die Sonnenbril­le hatte der 22-Jährige, wie fast alle seine Mitspieler, schon nach der zweistündi­gen Kabinenfei­er im Berliner Olympiasta­dion als unverzicht­bares Accessoire auf die Nase gesetzt.

Vom Gegner war da schon lange nichts mehr zu sehen. Die meisten der rund 25 000 Münchner Fans hatten das Stadion recht schnell verlassen, die Mannschaft des FC Bayern den Rasen viel zu schnell. Nachdem sie ihre Medaillen bekommen hatten, verschwand­en sie in der Kabine. Auf die Frage, warum sie nicht, wie sonst üblich, die Ehrung des Siegers abgewartet hatten, folgten nur hilflose Erklärungs­versuche. »Da hätte uns jemand vom DFB Bescheid sagen müssen, wie das läuft«, sagte Jupp Heynckes. Ihm wurde an diesem Abend aber alles verziehen – nach seinem nun wirklich letzten Spiel als Trainer. »Mit 73 Jahren weiß man nicht, wie lange man noch auf der Welt ist. Ich möchte mein Leben jetzt genießen.«

Andere Ausreden, wie die von Mats Hummels, der gar nicht wisse, was dazu im Pokal-Knigge stehe, wurden zu Recht mit Kritik und Spott bedacht. Der Innenverte­idiger hat schon sechs Pokalendsp­iele erlebt – und weiß genau, wie man sich als Sieger und Verlierer verhält. Für den FC Bayern war es das 22. Finale. Weil es aber nicht zum 19. Titel gereicht hatte, wurde in München nur gemurrt. Am meisten über den ausgeblieb­enen Elfmeterpf­iff von Schiedsric­hter Felix Zwayer. In der Nachspielz­eit der zweiten Halbzeit wurde Javier Martinez beim Stand von 2:1 für die Eintracht vom Frankfurte­r Kevin-Prince Boateng im Strafraum von den Beinen geholt. Zwayer stand, trotz Videobewei­s, mit seiner Ansicht allein da. Es gab kaum je- manden, der in der Nachbetrac­htung diese Attacke nicht als klares Foul bezeichnet­e. Selbst Boateng nicht. Frankfurts Trainer Niko Kovac sprach vom »Glück des Tüchtigen«.

Während die Frankfurte­r Worte gütige des Siegers waren, war das Verhalten der Münchner, das von schlechten Verlierern. Im Moment der Niederlage muss niemand beim FC Bayern daran denken, wie oft der Klub selbst schon von Schiedsric­hterentsch­eidungen profitiert hat. Das wäre zu viel verlangt. Warum aber dem Gegner Fairness und Respekt verweigert wurde, erklärte Heynckes etwas unfreiwill­ig: »Die Enttäuschu­ng war zu groß.«

War die Enttäuschu­ng zu groß, weil der national konkurrenz­lose FC Bayern mit diesem Sieg geplant hat? Der Vorstandsv­orsitzende Karl-Heinz Rummenigge hatte ihn jedenfalls gefordert: »Das ist ein Titel, den wir jetzt unbedingt noch haben möchten.« Grundsätzl­ich sei ein Titel pro Saison nämlich zu wenig. Und so wurde dann der Empfang am Sonntag auf dem Münchner Marienplat­z zu einer reinen Abschiedsf­eier für Jupp Heynckes. Der Jubel über die Meistersch­ale ist nämlich schon lange verklungen – am 7. April hatte der FC Bayern mit einem 4:1 in Augsburg seine sechste Meistersch­aft in Folge gewonnen.

Auch im Vorfeld des Pokalfinal­s hatte Heynckes im Mittelpunk­t gestanden, weil es eben auch ein Trainerdue­ll mit dem künftigen Münchner Kovac war. Auch wenn beide davon nichts wissen wollten – letztlich war es genau das. Von der Aufstellun­g über das Personal bis zum System: Heynckes bot Altbewährt­es auf. Und so erspielten sich die Münchner zwar sagenhafte 77 Prozent Ballbesitz und kamen zu 22 Torschüsse­n. All das führte aber lediglich zum zwischenze­itlichen Ausgleich durch Robert Lewandowsk­i (53. Minute). Weil der FC Bayern zu selten Überraschu­ngsmomente schaffen konnte, weniger kreativ als nach gewohntem Schema spielte und dem Gegner in Sachen Kampf, Willen und Leidenscha­ft deutlich unterlegen war.

Kovac verspürte eine »große Genugtuung«. Natürlich über den Pokalsieg gegen den großen Favoriten FC Bayern. Aber auch wegen der »Niko, Niko«-Rufe der rund 30 000 Frankfurte­r Fans im Olympiasta­dion. Noch vor dem Anpfiff hatte es tat- sächlich noch vereinzelt­e, aber deutlich vernehmbar­e Pfiffe für den Trainer gegeben. Weil er eben die Eintracht in Richtung München verlässt. Am Sonntag war dann nur eitel Sonnensche­in: 25 000 Frankfurte­r feierten ihre Pokalsiege­r auf dem Frankfurte­r Römer, den ersten Titel seit 30 Jahren für die Eintracht – und immer wieder Niko Kovac.

Der 46-Jährige hat in zweieinhal­b Jahren »aus einem Fast-Absteiger einen Sieger« gemacht. Mit einer Mannschaft, die den Namen Eintracht verdient, in der jeder für jeden arbeitet, denn nur so funktionie­rt die KovacTakti­k: laufen, um zu verteidige­n, bis zum Umfallen. Und dann die richtigen Momente finden, um den Gegner mit gemeinscha­ftlichem Pressing unter Druck zu setzen und blitzschne­ll auf Angriff umzuschalt­en. So fiel das 1:0 nach elf Minuten, als der Ball Bayerns James abgejagt und sofort zum Torschütze­n Ante Rebic in die Spitze gespielt wurde. Ähnlich kam dessen zweiter Treffer (82.) zustande. Das 3:1 erzielte Mijat Gacinovic nach einem langen Lauf in der Nachspielz­eit.

Wie man den FC Bayern bezwingen kann, hat Kovac gezeigt. Bald muss er beweisen, dass er auch einen Favoriten und eine Mannschaft mit großen Stars erfolgreic­h durch eine Saison führen kann. Eine Qualität aber hat er als Trainer, die sie bei den Bayern nicht erst seit dem nun verlorenen Pokalfinal­e vermissen, sondern mindestens nach vier Halbfinaln­iederlagen in der Champions League in den vergangene­n fünf Jahren: Kovac kann eine Mannschaft perfekt auf K.o.Spiele einstimmen. Mit Frankfurt gelang ihm zwei Mal hintereina­nder der Finaleinzu­g im DFB-Pokal. Jetzt der Sieg. Und auf dem Weg ins diesjährig­e Endspiel hatte die Eintracht nur einen Gegentreff­er kassiert.

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Fotos: dpa/Andreas Arnold, AFP/Günter Schiffmann
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