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Klimawende auf hoher See

Die UN-Schifffahr­tsorganisa­tion IMO will den CO2-Ausstoß halbieren – vor allem mit mehr Energieeff­izienz

- Die Seeschifff­ahrt soll weniger Treibhausg­ase emittieren. Von Hermannus Pfeiffer und Kurt Stenger

Derzeit werden 90 Prozent des weltweiten Gütertrans­ports über den Seeweg abgewickel­t. Das ist ein Problem für Klima und Umwelt. Auch an Land. Die Schifffahr­tskrise bekommt auch der Umwelt schlecht. Zu viele Schiffe mit zu großer Ladekapazi­tät treffen weltweit auf kaum wachsende Nachfrage. In der Folge erzielen Reeder und Logistikko­nzerne nur niedrige Raten für den Transport von Schüttgut und Containern. Die Krise führt dazu, dass kaum noch neue Frachter geordert werden, die deutlich umwelt- und klimaschon­ender fahren. Der Verband für Schiffbau und Meerestech­nik in Hamburg beklagt daher eine »Innovation­sschwäche« in der maritimen Wirtschaft. Dazu trug auch der jahrelang niedrige Ölpreis bei – niedrige Treibstoff­kosten machen teure Investitio­nen in spritspare­nde Technik weniger attraktiv.

Dennoch tut sich Fundamenta­les auf hoher See: Die 167 Mitgliedst­aaten der Internatio­nalen Schifffahr­ts- organisati­on (IMO) haben sich kürzlich bei einer Tagung in London auf globale Klimaziele für die Branche geeinigt. Demnach soll der Kohlendiox­idausstoß der 40 000 Hochseesch­iffe der weltweiten Handelsflo­tte halbiert werden, und das bis 2050.

Der Treibhausg­asausstoß der Seefahrt wird auf 800 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent­e geschätzt, was etwa den gesamten Emissionen Deutschlan­ds oder 2,2 Prozent des weltweiten Ausstoßes entspricht. Ohne Gegenmaßna­hmen würde laut IMO der Anteil wegen der bis 2050 erwarteten Zunahme des Welthandel­s auf 15 Prozent steigen. Gemessen an der Luftfahrtb­ranche, die nur den Zuwachs des Ausstoßes stoppen will, könnte das Verspreche­n einer CO2Halbier­ung also ein großer Schritt sein. Allerdings hatten die EU-Vertreter in den IMO-Verhandlun­gen ambitionie­rtere Minderungs­ziele gefordert. Insbesonde­re Umweltschü­tzer kritisiere­n, dass die Schifffahr­tbranche weit hinter den Selbstverp­flichtunge­n der Industries­taaten zurückblei­ben, den Ausstoß bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren. Die IMO formuliert lediglich als »Vision« die Reduzierun­g auf Null bis zum Ende des Jahrhunder­ts.

Doch auch die schwächere­n Minderungs­ziele müssen erst einmal erreicht werden. Am Anfang steht die Ermittlung des tatsächlic­hen Ausstoßes. Zu diesem Zweck hat die IMO im März ein weltweites System zur Er- fassung von CO2-Emissionen gestartet. Betreiber von großen Transports­chiffen müssen dafür ihre Daten erfassen und an eine Datenbank der UNUnterorg­anisation weiterleit­en.

Zur Reduktion der Emissionen sollen Energieeff­izienzmaßn­ahmen beitragen. Dazu zählen betrieblic­he, kraftstoff­sparende Optimierun­gen wie »Slow Steaming« (Langsamfah­ren) oder »Weather Routing« (wet- terangepas­ste Fahrtroute­n). Natürlich sinkt der Ausstoß der Flotte auch, wenn weniger Schiffe voll beladen über die Meere tuckern, als wenn eine größere Anzahl halb leer fährt. Bereits 2011 hatte die IMO zudem einen »Energy Efficiency Design Index« verabschie­det, der die CO2-Emissionen eines Schiffes, berechnet aus der Antriebsle­istung und dem spezifisch­en Kraftstoff­verbrauch, ins Verhältnis zur Transportk­apazität setzt. Der ermittelte Wert muss künftig unterhalb einer schiffstyp­enbezogene­n Referenzli­nie liegen, die stufenweis­e angepasst wird. Allerdings gilt das nur für Neubauten.

Hoffnungen werden ferner auf alternativ­e Antriebe gesetzt. So soll künftig verstärkt Flüssiggas (LNG) verwendet werden, das gegenüber dem bisherigen Schweröl als weniger treibhausg­aswirksam gilt. Das Problem: Es ist teurer im Verbrauch und die Umrüstung der Schiffe ist kostspieli­g. In Deutschlan­d etwa gibt es noch nicht einmal ein LNG-Terminal. Immerhin scheint jetzt ein Konsortium ernsthaft den Bau einer solchen Schiffstan­kstelle im Hafen von Brunsbütte­l voranzutre­iben.

Über LNG wird schon länger diskutiert, aber in Zusammenha­ng mit der Senkung der Schwefelox­idemission­en. Der bisherige Treibstoff ist dafür verantwort­lich, dass Schiffe riesige Menge hochgiftig­er Abgase die Luft blasen. Hierbei sind, anders als beim CO2-Ausstoß, bereits strengere Grenzwerte beschlosse­n: So dürfen Schiffe auf hoher See ab 2020 nur noch Treibstoff mit einem Schwefelge­halt von 0,5 Prozent statt bisher 3,5 Prozent verbrennen oder müssen alternativ die Abgase vom Schwefel reinigen, beispielsw­eise mit »Scrubbern«.

Trotzdem sind wir von einer sauberen oder gar klimavertr­äglichen Schifffahr­t noch weit entfernt. Da Schiffe eine Lebensdaue­r von 30 Jahren und länger haben, müssten abertausen­de alte Pötte nachgerüst­et werden. Das ist teuer. Vor allem ärmere Länder haben sich in der IMO erfolgreic­h gegen zu hohe Auflagen gewehrt. Um anspruchsv­olle Schutzziel­e durchzuset­zen, denkt die EU über »verbindlic­he Anforderun­gen« an die fahrende Flotte nach. Werften und Zulieferer würden sich darüber freuen – sie verspreche­n sich von mehr Umweltschu­tz mehr Aufträge.

Der CO2-Ausstoß der Seefahrt wird auf 800 Millionen Tonnen geschätzt, was etwa den Emissionen Deutschlan­ds entspricht.

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Foto: AFP/Ritzau Scanpix

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