Sind die Bienen noch zu retten?
Jana Heyden und Florian Brand haben einen Imker und seine Bienenvölker in Berlin besucht.
Welche Auswirkungen hat das Bienensterben auf die Menschen? Und was macht eine Honigbiene eigentlich ihr Leben lang?
Ein kurzer Stich, dann fängt es plötzlich ganz heftig an zu zwiebeln. An der oberen Stirn hat sich eine Biene verfangen und aus Reflex zugestochen. Nun pocht es im gesamten Kopf und der Schmerz breitet sich schnell bis hinab zum Kiefer aus.
»Du musst den Stachel mit der Giftdrüse rausziehen«, sagt Thomas Warlich. Er ist Imker aus Leidenschaft. Mit einem geübten Griff entfernt er die Ursache des Schmerzes. »Wenn man böswillig wäre, könnte man vor dem Rausziehen noch mal kräftig drücken, damit es richtig doll zwiebelt.« Das machen wir heute aber nicht. Die Biene, die beim Stechen ihren Stachel verloren hat, zuckt noch ein bisschen, bevor sie endgültig die Lebensgeister verlassen. Bienen können, anders als Wespen, nur einmal in ihrem Leben zustechen. Widerhaken am Stachel verhindern, dass sie ihn wieder herausziehen können. Bei dem Versuch verlieren sie ihren Unterleib und sterben nach dem Angriff. »Erst beim zweiten Stich zeigt sich, ob man allergisch auf Bienengift reagiert«, sagt Warlich. Wir lehnen dankend ab.
Seit über 200 Millionen Jahren bevölkern diese Insekten mit dem wissenschaftlichen Namen »Apiformes« die Erde. Seit circa 6000 Jah- ren setzen Menschen gezielt Bienenhaltung ein, um Wachs und Honig zu gewinnen. Also schon die Menschen im alten Ägypten. Damit gehört sie mittlerweile zu den drittwichtigsten Nutztieren, neben Schweinen und Rindern.
Ganz so lange ist Warlich noch nicht dabei. Seit 25 Jahren beschäftigt sich der Rentner mit der »Apis mellifera«, wie die Europäische Honigbiene im Fachjargon heißt. Sechs Völker züchtet der stellvertretende Vorsitzende der Berliner Imkerfreunde in der Gartenarbeitsschule Neukölln, der größten in ganz Berlin. Bis zu 30 000 Kinder kommen jedes Jahr hierher, um dem Imker bei seiner Arbeit über die Schulter zu schauen. Jetzt, im Frühjahr, muss er sich darum kümmern, dass seine Völker gut aus dem Winter kommen. Dafür verfüttert er ein spezielles Zuckergemisch an die kleinen Summser.
Zwischen 30 000 und 60 000 Tiere zählt ein durchschnittliches Bienenvolk im Sommer. Jedes Tier lebt jedoch im Schnitt nur vier bis sechs Wochen. Dann stirbt es an Erschöpfung. »Das ist aber kein Problem«, sagt Warlich, »die Königin produziert kontinuierlich Nachschub.« Sie ist das einzige geschlechtsreife weibliche Tier im Volk und legt täglich bis zu 2000 Eier. Im Winter reduziert sich die Anzahl der Bienen im Stock auf »nur« 5000 Arbeiterinnen. Diese Tiere leben hingegen bis zu neun Monate und halten den Bienenstock während der kalten Monate in Schuss. Bei Minusgraden bilden sie eine Traube, um die Königin zu schützen und können so die Temperatur im Inneren aufrechterhalten.
Die größten Feinde der Bienen sind jedoch weder kalte Winter noch Fressfeinde – wie Bären, die sich an dem süßen Honig zuschaffen machen. Das größte Problem für die Insekten sind chemische Pflanzenschutzmittel, wie Glyphosat und andere Pestizide (sogenannte Neonicotinoide – siehe rechte Seite), die von LandwirtInnen auf den Feldern eingesetzt werden, speziell auf Rapsfeldern, die bei Bienen sehr beliebt sind. Das Gift beeinträchtigt nicht nur den Orientierungssinn der Insekten. Es überträgt sich auch auf junge Bienen im Stock und wird über die Ernährung an Larven weitergegeben. So kommen diese bereits mit einem geschwächten Immunsystem auf die Welt. Das schlimmste ist für Warlich jedoch, dass das Gift auch im Honig der Bienen nachgewiesen werden kann und damit auch uns Menschen betrifft.