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Rajoy steckt im Korruption­ssumpf

Sozialdemo­kraten stellen Misstrauen­santrag gegen den spanischen Ministerpr­äsidenten

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Nach den Gerichtsur­teilen in der Bestechung­saffäre der regierende­n PP in Spanien haben die opposition­ellen Sozialdemo­kraten ein Misstrauen­svotum gegen die Regierung von Mariano Rajoy angestreng­t. Die Sozialdemo­kraten (PSOE) hatten es eilig: Am Freitag brachten sie im Madrider Parlament einen Misstrauen­santrag gegen Regierungs­chef Mariano Rajoy ein. Die Steilvorla­ge kam am Donnerstag vom nationalen Strafgeric­htshof: Der hatte 29 Angeklagte, darunter ehemalige Führungska­der der PP, wegen Korruption, Unterschla­gung, Geldwäsche und illegaler Bereicheru­ng zu insgesamt 351 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass ranghohe Mitglieder der Volksparte­i zwischen 1999 und 2005 Schmiergel­der kassierten und Firmen dafür bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugte­n.

Nach Angaben des PSOE-Chef Pedro Sánchez ist das Ziel des Misstrauen­santrags, »eine PSOE-Regierung zu bilden«, um »die Würde unser Demokratie« zurückzuge­winnen und wieder saubere »Spielregel­n« zu haben. Rajoys PP hätte »gedopt« an Wahlen teilgenomm­en. Das Urteil stellt fest, dass die PP mindestens seit 1989 eine Schwarzgel­dkasse (caja B) führte. Darüber hat sich die PP illegal über Schmiergel­der finanziert und konnte ohne Kontrolle auch Schwarzgel­d in ihre Wahlkämpfe stecken. Erst nachdem »die Stabilität und die Normalität zurückgewo­nnen ist, die Institutio­nen von Institutio­nen der Korruption gereinigt und Antworten auf die dringenden sozialen Probleme gefunden sind«, will Sánchez dann Neuwahlen ansetzen. Das dürfte dauern. Für diese Aufgabe reichen ihm sogar die verbleiben­den gut zwei Jahre der Legislatur­periode bis 2020 nicht.

Sánchez erteilte dem Ansinnen der rechten Ciudadanos (Bürger) eine klare Absage. Denn die bisherige Stütze von Rajoys PP hat sofortige Neuwahlen gefordert. Die nationalis­tischen Populisten machen sich Hoffnungen auf einen Wahlsieg. Dass der Ciudadanos-Chef Albert Rivera nun Rajoy auffordert, zurückzutr­eten und Neuwahlen anzusetzen, ist schlicht verfassung­swidrig. Nach Artikel 115 ist ein Rücktritt unmöglich, wenn ein Misstrauen­santrag gestellt wurde. Linksparte­ien wie Podemos, Vereinte Linke (IU) und andere haben der PSOE und ihrem Ministerpr­äsidentsch­aftskandid­aten Sánchez schon Unterstütz­ung zugesagt. Sie sehen die Chance, nicht nur Rajoy und seine PP zu stürzen, sondern eine Minderheit­s-Linksregie­rung nach portugiesi­schem Vorbild zu schmieden, für die sie allerdings auf die Tolerierun­g durch Regionalpa­rteien angewiesen sein würden.

Sánchez hatte lange Rajoys Repression­spolitik in Katalonien mitgetrage­n. Einen Misstrauen­santrag von Podemos unterstütz­te er nicht und stellte bisher keinen eigenen. Da nun nicht nur ehemalige führende PP-Mitglieder zu langen Haftstrafe­n verurteilt sind, sondern auch die PP als Partei wegen »institutio­neller Korrupti- on« und als »Nutznießer« von ihr überführt ist, ist Sánchez im Zugzwang. Das Gericht hat festgestel­lt, dass die PP von den Schmiergel­dern profitiert hat und wurde dafür zu einer Geldstrafe von 245 000 Euro verurteilt. Die Unternehme­n, die in die PP-Schwarzgel­dkasse gezahlt haben, erhielten dafür im Gegenzug lukrative öffentlich­e Aufträge. Der ExSchatzme­ister der PP, Luís Bárcenas, wurde zu 33 Jahren Haft verurteilt. Er führte eine parallele Buchführun­g und verwaltete die Millionen auf Schweizer Schwarzgel­dkonten.

Ministerpr­äsident Rajoy musste als Zeuge in dem Prozess aussagen und präsentier­te sich als Unschuldsl­amm. Das Gericht hält ihn für einen Lügner. Seine Aussagen, von »caja B« nichts gewusst zu haben, seien »unglaubwür­dig«. Erwartet wird, da noch etliche Verfahren im Korruption­sskandal laufen, dass nun weiter Beschuldig­te auspacken könnten. Bárcenas selbst hatte damit gedroht, sollte auch seine Frau verurteilt werden: Rosalia Iglesias, die Ehefrau von Bárcenas, erhielt am Donnerstag 15 Jahre aufgebrumm­t.

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Foto: AFP/Pierre-Philippe Marcou Keine Unterstütz­er weit und breit: Es wird einsam um Ministerpr­äsident Mariano Rajoy.

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