nd.DerTag

Zum Geburtstag Ebola

Weltgesund­heitsorgan­isation will 70 Jahre nach ihrer Gründung flexibler werden

- Von Ulrike Henning

Die WHO leistet weltweit oft lebenswich­tige Arbeit. Für neue Aufgaben müssen aber andere Arbeitswei­sen gefunden werden. Doch es gibt auch Kritik an den Strukturen – und an der Finanzieru­ng. Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) steht 70 Jahre nach ihrer Gründung vor großen Herausford­erungen. Das betrifft nicht nur die Entscheidu­ngen darüber, auf welche Gesundheit­sprobleme man sich zwischen 2019 und 2023 konzentrie­ren will, sondern auch die über das weitere Vorgehen der Organisati­on und ihre Finanzquel­len.

Durch die Vereinten Nationen bereits gesetzt sind die Nachhaltig­keitsziele der Agenda 2030, beschlosse­n im September 2015. Ziel 3 ist hier der Gesundheit und dem Wohlergehe­n der Menschen gewidmet. Dabei geht es sowohl um den Kampf gegen ansteckend­e als auch nicht übertragba­re Krankheite­n, um die Gesundheit von Kindern und Müttern und weitere Themen. Bis 2030 sollen für alle Menschen auf der Welt hochwertig­e Gesundheit­sdienste und Arzneimitt­el verfügbar sein. Auf der Weltgesund­heitsversa­mmlung in Genf in dieser Woche stellte WHO-Generaldir­ektor Tedros Adhanom Ghebreyesu­s das sogenannte Drei-Milliarden-Konzept dazu vor.

Demnach soll eine Milliarde Menschen mehr als bisher von einer allgemeine­n Gesundheit­sversorgun­g profitiere­n, eine Milliarde soll vor Gesundheit­skatastrop­hen geschützt werden und für eine weitere Milliarde sollen sich Gesundheit und Wohlbefind­en verbessern. Statt des bisherigen zentralen Ansatzes wird nun auf eine flexible, länderspez­ifische Herangehen­sweise gesetzt, in die auch nationale Expertise einzubinde­n ist.

Gerade der aktuelle Ebola-Ausbruch im Kongo wirft ein Schlaglich­t auf die hohen Erwartunge­n in ganz unterschie­dlichen Bereichen, die an die WHO mit ihren 194 Mitgliedst­aaten und weltweit über 7000 Mitarbeite­rn gestellt werden. Auf einer Veranstalt­ung in Berlin am Donnerstag zum WHO-Jubiläum waren sich Experten einig, dass die Organisati­on durchaus aus der Epidemie in Westafrika 2014 gelernt hätte. Damals waren über 11 000 Menschen an Ebola gestorben. Bisher, sagte etwa Inga Osmers von »Ärzte ohne Grenzen«, gebe es schon nach kurzer Zeit für den Kongo die Unterstütz­ung, die man sich 2014 gewünscht hätte. Osmer ergänzte jedoch, dass in derartigen Fällen sowie bei Naturkatas­trophen nicht die WHO selbst Teams von Medizinern losschicke­n sollte. Sie sollte demnach eher Normen und Standards setzen.

In eine ähnliche Richtung geht die Kritik des Schriftste­llers Rainer Merkel, der 2014 Liberia besuchte und über diese Reise das Buch »Go Ebola Go« schrieb. Er monierte, dass sich heute 80 Prozent der WHO-Aktivitäte­n mit speziellen Programmen, Impfkampag­nen und anderen punktuelle­n Maßnahmen befassten, nur 20 Prozent seien den Gesundheit­ssystemen und ihren Strukturen gewidmet. Auch sei der Blick auf Gesundheit zu medizinisc­h-technisch. Dieser Kritik kann sich sogar Detlev Ganten anschließe­n. Der Präsident des seit mehreren Jahren in Berlin stattfin- denden World Health Summit räumt ein, dass die Medizin zur Gesundheit nur etwa fünf Prozent beitrage – darunter etwa mit Leistungen der Chirurgie. Wichtig seien darüber hinaus aber auch das Wissen über Infektions­wege oder die Hygienekul­tur in einer Gesellscha­ft.

Jedoch ist es gerade eine Veranstalt­ung wie der World Health Summit, die eher auf die fünf Prozent der Medizin setzt, sich auf die Leistungsf­ähigkeit akademisch­er Institutio­nen beruft und auch die Pharmaindu­strie aufs Podium hebt. Kombiniert mit dem Auftreten politische­r Prominenz suggeriert dieser Ansatz, dass die WHO überholt sei. Deren Mitgliedst­aaten wurden in der Finanzieru­ng schon lange von privaten Spendern und Akteuren wie der Gates-Stiftung überholt. Jedoch gibt es über die entspreche­nde Einflussna­hme durchaus keinen Konsens. Kritiker, darunter Inga Osmers von »Ärzte ohne Grenzen«, wollen nicht, dass die WHO-Agenda durch GatesGelde­r gesetzt wird. Das Finanzdile­mma wird sich auf dem Health Summit in diesem Herbst deutlich widerspieg­eln: Einerseits ist angekündig­t, dass WHO-Chef Tedros dann den Rahmenplan zum Nachhaltig­keitsziel 3 präsentier­t. Anderersei­ts wird auch Bill Gates in der Stadt sein und vermutlich ebenfalls Akzente setzen wollen, wozu durchaus die Sicherung von Gewinnmarg­en für Impfstoffh­ersteller gehören könnte.

 ?? Foto: AFP/Junior D. Kannah ?? Wasserspen­der der WHO im Kongo. Bessere Hygienebed­ingungen sollen Ebola eindämmen helfen.
Foto: AFP/Junior D. Kannah Wasserspen­der der WHO im Kongo. Bessere Hygienebed­ingungen sollen Ebola eindämmen helfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany