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Die Hälfte will den Job wechseln

Die meisten sind zufrieden mit ihrer Arbeit, viele unzufriede­n mit dem Arbeitspla­tz

- Von Simon Poelchau

Die Lage auf dem Arbeitsmar­kt ist für die Erwerbstät­igen so gut wie lange nicht. Immer mehr wollen sich deswegen eine schlechte Bezahlung und Behandlung vom Chef nicht mehr bieten lassen. Die Beschäftig­ten hierzuland­e sind offenbar in Jobwechsel­laune. Die Hälfte aller angestellt­en Mitarbeite­r sind mit ihrem Arbeitspla­tz so unzufriede­n, dass sie darüber nachdenken, ihn zu wechseln. Dies ist das Ergebnis einer am Freitag veröffentl­ichten repräsenta­tiven Umfrage der Personalve­rmittlungs­firma ManpowerGr­oup Deutschlan­d. Für ihre Studie ließen die Personaler 1010 Bundesbürg­er online befragen.

Doch wie passt dieses Ergebnis zu einer anderen Erhebung bezüglich Zufriedenh­eit am Arbeitspla­tz? Ende April veröffentl­ichte das Statistisc­he Bundesamt anlässlich des 1. Mai, dem Tag der Arbeit, eine Statistik, die auf den ersten Blick im Widerspruc­h zu den Zahlen der Personalfi­rma steht. Laut den amtlichen Statistike­rn waren nämlich 89 Prozent der Erwerbstät­igen hierzuland­e zufrieden mit ihrer Tätigkeit. 33 Prozent waren sogar sehr zufrieden.

Für Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) stehen die beiden Statistike­n nicht im Widerspruc­h. Ihm zufolge ist die Zufriedenh­eit der Beschäftig­ten hierzuland­e mit ihrer Berufstäti­gkeit seit den 1970er Jahren konstant hoch. Doch was man auf der Arbeit macht, ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, wie man für seine Tätigkeit bezahlt und vom Chef behandelt wird. »Wenn der Lohn oder das Verhältnis zum Arbeitgebe­r nicht stimmt, dann haben die Angestellt­en bei einer guten Konjunktur bessere Chancen, ihren Job zu wechseln«, sagt Brenke.

So ist das Gehalt laut der Personaler­umfrage der wichtigste Grund für den Wunsch nach einem Jobwechsel. 22 Prozent der Befragten gaben an, eine besser bezahlte Stelle zu suchen. 15 Prozent fühlen sich zudem nicht ausreichen­d in ihrer Arbeit wertgeschä­tzt, zwölf Prozent beklagen das schlechte Arbeitskli­ma und neun Prozent eine mangelnde Vereinbark­eit von Familie und Beruf. Lediglich zwölf Prozent wollen in den nächsten zwölf Monaten kündigen, weil sie Abwechslun­g und neue Projekte suchen.

Unterdesse­n ist der Anteil der Unzufriede­nen in den vergangene­n beiden Jahren kontinuier­lich gestiegen. 2016 gaben gegenüber der ManpowerGr­oup noch 44 Prozent der Befragten an, wechseln zu wollen. 2017 waren es schon 46 und dieses Jahr eben 50 Prozent. Hauptgrund war auch die beiden Jahre zuvor schon die Aussicht auf ein besseres Gehalt.

Man kann also sagen, dass nicht nur die Unternehme­n, sondern auch die Beschäftig­ten den Fachkräfte­mangel spüren. Seit fast einem Jahrzehnt geht die Zahl der Arbeitslos­en kontinuier­lich zurück, viele Firmen suchen händeringe­nd nach geeignetem Personal. Dies motiviert eben auch manch einen Angestellt­en, mal eine Bewerbung zu schreiben, wenn er unzufriede­n mit dem Treiben seines Chef ist.

Indes ist in den letzten Jahren nicht nur die Zahl der Beschäftig­ten gestiegen, sondern auch deren Einkommen. Wie das DIW berechnet hat, sind die realen verfügbare­n Einkommen in Deutschlan­d von 1991 bis 2015 im Schnitt um 15 Prozent gewachsen. Von dieser Entwicklun­g profitiert­en jedoch nicht alle gleich: Während die reichsten zehn Prozent fast ein Drittel mehr Einkommen verbuchen konnten, musste das ärmste Zehntel mit weniger auskommen.

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