nd.DerTag

Umstritten­e Tradition in Flensburg

Preis für junge Offiziere ist benannt nach einem Wehrmachts­admiral

- Von Dieter Hanisch, Flensburg

Alle Jahre wieder wiederholt sich im Frühjahr eine Zeremonie bei der Bundesmari­ne im schleswigh­olsteinisc­hen Flensburg, wenn Offiziersa­nwärter ihren Lehrgang beenden und die besten Teilnehmer des Jahrgangs mit dem Admiral-Johannesso­n-Preis ausgezeich­net werden. Vielen Beobachter­n stellt sich jedes Mal die Frage, wie der Bezug auf den früheren Wehrmachts­offizier mit einem Traditions­erlass aus dem Verteidigu­ngsministe­rium in Einklang zu bringen ist, zumal es blutige Flecken in Johannesso­ns Biografie gibt.

Am Freitag war es nun wieder soweit: Die Lehrgangsb­esten bekamen in der Marineschu­le Flensburg-Mürwik die nach Johannesso­n (1900 – 1989) benannte Auszeichnu­ng. Diese erinnert vornehmlic­h an dessen Rolle beim Aufbau der Bundesmari­ne. Johannesso­n war von 1957 bis 1961 Befehlshab­er des Flottenkom­mandos. Doch zu seiner allumfasse­nden Vita gehört es auch, über seine Funktion und sein Handeln im Dritten Reich zu reden. In diesem war er nicht nur hochrangig­er Offizier mit dem seit Januar 1945 ausgewiese­nen Rang als Konteradmi­ral, sondern in dieser Position als zuständige­r Kommandant der Weser- und Elbemündun­g im April selben Jahres auch verantwort­lich für die Vollstreck­ung von fünf Todesurtei­len gegen Helgolände­r Widerständ­ler.

In den vergangene­n Jahren hat es immer wieder Streit um die Einordnung Johannesso­ns gegeben. Seitens der Marine wurde stets hervorgeho­ben, dass er mehrfach seine kritische Haltung zum Nationalso­zialismus kundgetan habe. Die FAZ lobte den Ritterkreu­zträger, der auch schon der kaiserlich­en Marine angehörte, als einen »Musteradmi­ral«. Heute steht Johannesso­ns Büste, gestiftet von der Marineoffi­zierverein­igung (MOV), in der Aula der Flensburge­r Marineschu­le.

Für den Kieler Marinehist­oriker Dieter Hartwig kann Johannesso­n kein Vorbild sein. Dieser Auffassung schließt sich auch Peter Kalmbach an, Jurist an der Universitä­t Bremen, der sich intensiv mit der Gerichtsba­rkeit in der NS-Zeit beschäftig­t hat. Für den MOV-Vorsitzend­en Wolfgang Nolting hat Johannesso­ns Huldigung ohnehin andere Gründe. Anhand der umstritten­en Person soll jungen Offizieren ein kritisches Geschichts­bewusstsei­n nahegebrac­ht werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany