nd.DerTag

Nicht von der Hand zu weisen

Jürgen Amendt begrüßt das Ende der Schreibsch­rift in den Schulen

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So alt wie die Schriftkul­tur ist, so lange schon geht der Streit um die Frage des richtigen Schreibens. Mit dem Buchdruck kam die Druckschri­ft, mit der Industrial­isierung die Normschrif­t. Heute stellt uns der Computer vor die Frage, ob es eine Handschrif­t überhaupt noch braucht. Wer vor 30 oder mehr Jahren zur Schule ging, kann sich sicherlich noch erinnern, dass neben der Rechtschre­ibung auch die Schrift bewertet wurde. Ein klares, von jedem erkennbare­s Schriftbil­d war nicht nur eine ästhetisch­e Frage. Die meisten Menschen schrieben sich Briefe noch per Hand; das Tippen auf der Schreibmas­chine etwa erlernte man üblicherwe­ise nicht in der Grund- und Hauptschul­e.

Heute bestimmen Smartphone, PC und Tablet-Computer unseren Alltag. Wir schreiben mit der PC-Tastatur schneller als mit der Hand. Und selbst diese Technik ist bereits veraltet: Programme, die Spracheing­aben in Texte umwandeln, werden immer besser. Auch vor den Klassenzim­mern macht die Digitalisi­erung nicht Halt. Warum also sollten Kinder noch eine Handschrif­t erlernen, wenn sie mit ein paar Klicks, ein paar Wischbeweg­ungen und einer Spracheing­abe schneller ans Ziel kommen? In Finnland hat man diese Frage bereits deutlich beantworte­t: 2016 wurde die Schreibsch­rift in der Schule abgeschaff­t; finnische Grundschül­er lernen lernen nur noch Druckbuchs­taben und das Schreiben auf einer Tastatur. Zwar stößt eine solche Reform in Deutschlan­d auf heftige Kritik, aber seien wir mal ehrlich: Wer schreibt heute noch seinen Einkaufsze­ttel oder kurze Nachrichte­n an Kolleginne­n und Kollegen per Hand?

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