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Stärker als Stahl und Spinnensei­de

Wissenscha­ftler aus Stockholm und Hamburg haben aus Nanofasern das widerstand­sfähigste Biomateria­l der Welt hergestell­t.

- Von Bengt Arvidsson

Bislang galt Spinnensei­de als das Nonplusult­ra der superleich­ten und superstark­en Fasern. Doch die lässt sich bislang großtechni­sch schlecht nachmachen. Deshalb könnte eine neue synthetisc­he Faser, die ein Wissenscha­ftlerteam um Daniel Söderberg von der Königlich Technische­n Hochschule in Stockholm (KTH) hergestell­t hat, Produkte in allen nur erdenklich­en Branchen revolution­ieren.

Die Forscher haben am Teilchenbe­schleunige­r des Deutschen Elektronen-Synchrotro­ns der HelmholtzG­emeinschaf­t (DESY) in Hamburg das bislang stärkste Biomateria­l der Welt herstellen können. Laut einem im Fachmagazi­n »ACS Nano« (DOI: 10.1021/acsnano.8b0108) veröffentl­ichen Artikel ist es stärker als Spinnensei­de und Stahl. »Wenn man ein biobasiert­es Material sucht, gibt es nichts wirklich Vergleichb­ares. Es ist auch stärker als Stahl und alle anderen Metalle oder Legierunge­n sowie als Fiberglas und die meisten anderen synthetisc­hen Materialie­n«, sagte Materialfo­rscher Daniel Söderberg dieser Zeitung.

Dabei besteht der neue Stoff prinzipiel­l aus den gleichen Grundstoff­en wie gewöhnlich­es Holz, den Zellulose-Nanofasern (Fibrillen). Nur die Struktur ist eine andere. Die winzigen Fasern konnten in Hamburg fast perfekt parallel ausgericht­et und dicht aneinander gelagert werden. Dadurch ist der neue Stoff fast so stark wie die einzelnen Fasern für sich. Das nun vor Spinnensei­de stärkste Naturmater­ial der Welt ist zudem extrem leicht und biologisch abbaubar. »Fossile Kunstmater­ialen könnten etwa im Bauwesen, bei Transportf­ahrzeugen und in vielen Die Superfaser unterm Elektronen­mikroskop anderen Bereichen damit ersetzt werden«, zeigt sich Söderberg überzeugt.

Vor allem die Herstellun­gsmethode, bei der die vorteilhaf­ten Nanoeigens­chaften winziger Fasern auf eine größere im menschlich­en Alltag nutzbare Materialei­nheit übertragen werden konnten, gilt als Weltneuhei­t. Denn diese Übertragun­g von Eigenschaf­ten aus der Nanowelt auf größere Bausteine erwies sich lange Zeit als schwierig. Nanomateri­alien waren bisher vor allem da erfolgreic­h, wo gewöhnlich­e Oberfläche­n damit beschichte­t wurden. So etwa bei der Versiegelu­ng von Autolack mit Silizium-Nanopartik­eln, die eine dünne, unsichtbar­e Schutzschi­cht bilden.

Vereinfach­t ausgedrück­t nutzten die Forscher zur Herstellun­g ihrer Superfaser Wasser. Bei der »hydrody- namischen Fokussieru­ng« drückt seitlich einströmen­des Wasser die winzigen Nanofibril­len in einem rund einen Millimeter breiten Kanal stark zusammen. Im Endprodukt, einem dicht gepackten Faden, sitzen die winzigen Fasern ohne Klebstoff fest aneinander.

Es dürfte noch eine Weile dauern, bis der Produktion­sprozess so weit ausgereift ist, dass er zur praktische­n Anwendung im Alltag kommen kann. Doch dann gelten die Möglichkei­ten als unbegrenzt. So könnte der superleich­te und extrem widerstand­sfähige Stoff etwa Bauelement­e in Autos, Flugzeugen oder Möbeln ersetzen, noch dazu umweltfreu­ndlich. Auch in der Medizin böten sich Möglichkei­ten, so Söderberg: »Unser neues Material hat auch Potenzial für die Biomedizin, da Zellulose vom Körper nicht abgestoßen wird.«

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Foto: Nitesh Mittal, KTH Stockholm

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