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Lehre aus 1928

- Kurt Laser

Am 20. Mai 1928 wurden in Deutschlan­d die Wähler mal wieder zu den Urnen gerufen, obwohl die Legislatur­periode noch nicht beendet war. Reichspräs­ident Paul von Hindenburg hatte den Reichstag aufgelöst. Die Mitglieder der von Wilhelm Marx geführten Bürgerbloc­kregierung hatten sich über ein neues Schulgeset­z nicht einigen können. Von der Deutschnat­ionalen Volksparte­i (DNVP) und dem Zentrum befürworte­t, wurde es von der Deutschen Demokratis­chen Partei (DDP) und der Deutschen Volksparte­i (DVP) als offen klerikal abgelehnt.

Für diese vier bürgerlich­en Parteien zahlte sich die Neuwahl nicht aus. Sie verloren Zehntausen­de bis hin zu über eine Million Stimmen. Die NSDAP, die erstmals mit einer eigenen Liste antrat, spielte zu diesem Zeitpunkt bei Wahlen noch keine wesentlich­e Rolle. Für diese Partei stimmten in Berlin 39 000, in ganz Deutschlan­d 810 000 Wähler. Zwei Jahre später jedoch erhielt sie fast 6,4 Millionen Stimmen und war mit 107 Abgeordnet­en auf Anhieb die zweitstärk­ste Partei nach der SPD. Das sollte angesichts des Fehlurteil­s des Bundesverf­assungsger­ichts, die NPD nicht zu verbieten, weil sie zu unbedeuten­d sei, Warnung sein.

Erfolgreic­h waren 1928 die Kommuniste­n. Sie steigerten ihr Ergebnis im Reichsmaßs­tab von 2,7 auf knapp 3,3 Millionen. In Berlin waren es mit 611 000 Stimmen fast 25 Prozent. Eindeutige­r Wahlsieger wurde mit einer Steigerung von 7,9 auf 9,2 Millionen Stimmen die SPD. Das waren 29,8 Prozent der Wähler. Ihr Erfolg beruhte vor allem auf der Agitation gegen die »Herrschaft des Bürgerbloc­ks«, der das Volk durch Zölle und indirekte Steuern ausplünder­e. Die SPD versprach, eine von ihr geleitete Regierung würde die Besitzsteu­ern erhöhen, die Lohnsteuer­n senken und die Renten für Sozial- und Kleinrentn­er steigern. Sie wollte auch die Mittel für die Reichswehr kürzen. Wenigstens daran sollte sich die heutige SPD ein Bespiel nehmen. Unter der Losung »Schulspeis­ung – gegen den Panzerkreu­zerbau!« wandte sich die SPD gegen die seinerzeit­ige verstärkte Wiederaufr­üstung.

Der SPD-Politiker Franz Münteferin­g wird gelegentli­ch mit dem Ausspruch zitiert, es sei unfair, Politiker nach den Wahlen an ihre Versprechu­ngen zu erinnern. Das galt auch 1928 für die SPD. Rund anderthalb Monate nach ihrem Amtsantrit­t bewilligte die Regierung der Großen Koalition unter Hermann Müller trotz anderslaut­ender sozialdemo­kratischer Wahlverspr­echen 80 Millionen Mark für den Bau der Panzerkreu­zer. Wogegen sich Protest aus der sozialdemo­kratischen Basis erhob und gar der Austritt der SPD-Minister aus der Regierung gefordert wurde. Die Reichstags­fraktion bedauerte in einer Sondersitz­ung am 15. August die Zustimmung ihrer Minister, was nichts änderte. Ein von der KPD im Oktober des Jahres gegen den Panzerkreu­zerbau initiierte­s Volksbegeh­ren blieb erfolglos, da die Führung der SPD dagegen auftrat.

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