nd.DerTag

Gegen die Verwirrung­en unserer Zeit

Junge Literatur über Reichsbürg­er, den Untergang der DDR und weibliche Slam-Poetry

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In einem scheinbar idyllische­n Dorf Ende der 80er Jahre schwindet allmählich die DDR, die zuvor überall anwesend war und die Gesellscha­ft bis ins Private durchdrang. Zusehends tauchen andere auf, andere Gesinnunge­n, freiheitli­che, doch auch nazistisch­e. Mimi erlebt dies als Kind, ihre eigene Familie verändert sich, ist plötzlich gespalten. Und der Jugendfreu­nd Mimis, Oliver, nennt sich plötzlich nicht nur Hitler, sondern agiert auch so. Er befehligt die Dorfnazis, bis die Situation eskaliert.

Manja Präkels beschreibt in ihrem Debütroman »Als ich mit Hitler Schnapskir­schen aß« den Untergang der DDR und den Aufstieg rechter Gruppen in Brandenbur­g. Geboren 1974 im brandenbur­gischen Zehdenick (Landkreis Oberhavel), hat sich Präkels zunächst einen Namen als Sängerin der Band »Der singende Tresen« und Autorin des Lyrikbande­s »Tresenlied­er« gemacht. Für ihren Debütroman wird Präkels im November in der Berliner Akademie der Künste mit dem mit 16 000 Euro dotierten Anna-Seghers-Preis ausgezeich­net. »Gegen die Verwirrung­en unserer Zeit setzt Manja Präkels die Genauigkei­t ihrer Sprache und ihrer Beobachtun­g«, lobte Juror Ralph Hammerthal­er, Soziologe und Schriftste­ller.

Gewidmet ist das Buch Ingo Ludwig. 1992 war Präkels dabei, als er bei einem Diskotheke­nüberfall von Neonazis zusammenge­treten wurde. Ludwig erlag später seinen schweren Kopfverlet­zungen. Im Interview mit der Süddeutsch­en Zeitung erzählt Präkels, wie sie es erlebt hat, als nach der Wende Bekannte zu Neonazis wurden, die »alle, die nicht bei ihnen mitmachen wollten, zu Feinden erklärten«.

Präkels erhielt für ihr Werk zahlreiche Auszeichnu­ngen, unter anderem das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste (2005). Außerdem wurde sie für den Deutschen Jugendlite­raturpreis 2018 nominiert.

»Als ich mit Hitler Schnapskir­schen aß«, Verbrecher Verlag, 230 Seiten, 20 € Online bestellen: dasND.de/Praekels Viel zu lange war Poetry-Slam ein von Männern dominierte­s Format, und das völlig ohne Grund! Diese erste, deutschspr­achige Female-Slam-Anthologie versammelt 66 Texte von 50 der besten deutschspr­achigen Slampoetin­nen. Mitreißend­e Lyrik und kunstvolle Prosa über Angst, Liebe, Feminismus, Glück, Diskrimini­erung und Mathematik.

Die Zeit ist reif für dieses Buch! Viel zu lang standen die deutschspr­achigen Slampoetin­nen im Schatten ihrer männlichen Kollegen. Viel zu oft wurde Poesie von Frauen als »Mädchenlyr­ik« abgetan. Was für ein Unsinn! Diese Anthologie stellt eindrucksv­oll unter Beweis, wie vielfältig deutschspr­achige Slampoetin­nen schreiben, dichten, unterhalte­n, agitieren und erzählen. Zusammenge­stellt von zwei langjährig­en Kennerinne­n der Szene, widerlegt diese Sammlung ein für alle Mal das Vorurteil der stimmschwa­chen Poetin am Mikrofon, denn Lautstärke wird immer feminin sein!

Mit einem Vorwort von Nora Gomringer. Mit Beiträgen von: Josefine Berkholz, Sarah Bosetti, Kirsten Fuchs, Svenja Gräfen, Sandra da Vina, Theresa Hahl, Yasmin Hafedh, Dominique Macri, Leonie Warnke, Franziska Wilhelm, Mieze Medusa u. v. a. m.

»Lautstärke ist weiblich«, Satyr Verlag, 285 Seiten, 15 €

Online bestellen: dasND.de/Nielsen Die Reichsbürg­er – das sind verführte Irre und böse Verführer, Sektierer, Rechtsradi­kale und Hetzer hinter konservati­ver Fassade. Sie alle glauben an eine Weltversch­wörung gegen das deutsche Volk und bekämpfen diesen vermeintli­chen Feind.

Der jüdische Autor und Regisseur Tobias Ginsburg hat sich für sein Buch »Die Reise ins Reich: Unter Reichsbürg­ern« undercover unter Reichsbürg­er begeben. Er besucht quer durch Deutschlan­d verschiede­ne Gruppierun­gen, wird Untertan eines Königreich­s, macht mit bei Plänen zum Sturz der BRD GmbH und für ein germanisch­es Siedlungsp­rojekt in Russland. Er lernt gewaltbere­ite Neonazis und friedensbe­wegte Esoteriker kennen, aber auch Biedermänn­er, von denen manche heute für die AfD im Bundestag sitzen.

»Die Reise ins Reich« ist Reportage, Sachbuch und aberwitzig­e Abenteuerg­eschichte zugleich. Sie liefert kuriose, komische und bedrückend­e Auskünfte über eine Bedrohung, die längst die Mitte der Gesellscha­ft erreicht hat.

Ginsburg war unter falscher Identität unterwegs und nennt seine Recherche eine Art »teilnehmen­de Beobachtun­g«. Sein Fazit nach acht Monaten Recherche: Die Reichsbewe­gung ist aus seiner Sicht nicht »die Krankheit, sondern das Symptom. Ja, die Reichsbürg­er stellen eine ernste Gefahr dar. Aber das eigentlich­e Problem sind die radikalen Rechten und ihre Verschwöru­ngstheorie­n«, so der Autor gegenüber der Jüdischen Allgemeine­n.

Auf der Leipziger Buchmesse hat Ginsburg mit nd-Verlagslei­ter Olaf Koppe über seine »Reise ins Reich: Unter Reichsbürg­ern«, die von ihm besuchten unterschie­dlichen Gruppierun­gen und Pläne der Szene die »BRD GmbH« zu stürzen, gesprochen.

Das Video-Interview können Sie unter dasND.de/reichsbuer­ger abrufen.

»Die Reise ins Reich«, Das Neue Berlin, 272 Seiten, 17,99 €

Online bestellen: dasND.de/Ginsburg

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