Solingen: Warnung vor Rassismus
Zentrale Gedenkfeier musste wegen Unwetter abgebrochen werden
Solingen. Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach hat 25 Jahre nach dem Brandanschlag vor wachsender Fremdenfeindlichkeit gewarnt. In Deutschland und bei den europäischen Nachbarn sei »das Leitbild einer Gesellschaft, die sich zu Vielgestaltigkeit und Integration bekennt«, nicht überall vorangekommen. Man müsse heute Sorgen haben, »dass sich Geschichte wiederholen kann«, sagte Kurzbach zu Beginn der zentralen Gedenkfeier am Dienstagnachmittag am Mahnmal in Solingen. »Wieder sollen die sogenannten Fremden die Gefahr sein für alles Mögliche in unserem Land«, kritisierte der SPD-Politiker. Wegen eines schweren Unwetters musste die Gedenkveranstaltung im Anschluss noch vor den Reden von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavosoglu abgebrochen werden.
Bereits am Vormittag hatte eine Gedenkzeremonie des Landes in der Düsseldorfer Staatskanzlei stattgefunden.
Die Frage, wie man zum Auftritt des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu beim Gedenken an den rechten Solinger Anschlag steht, ist nicht leicht zu beantworten. Mit einer Absage hätte die NRW-Regierung die Hinterbliebenen brüskiert. Wer aber andererseits Çavuşoğlu eine Bühne bietet, der macht sich mitverantwortlich für die Stärkung rechter und autoritärer Kräfte in der Türkei. Ohne über Kompromisse nachzudenken, hat man sich für letztere Variante entschieden. Çavuşoğlu kann darauf hoffen, kurz vor der türkischen Parlamentswahl bei seinen Landsleuten in Deutschland Pluspunkte gesammelt zu haben. Ohne Widerworte konnte er seine Partei AKP als Vorkämpferin für Verständigung und Antirassismus darstellen. Dabei führt sie im eigenen Land und in Syrien einen Krieg gegen alle, die im Verdacht stehen, zur Linken zu gehören.
Dass die AKP hierzulande Einfluss nehmen kann, hat sich der deutsche Staat teilweise selbst zuzuschreiben. Wer Zuwanderer jahrzehntelang als »Gastarbeiter« tituliert, der muss davon ausgehen, dass die Bindungen zum Heimatland eng bleiben. Wenn sich die hiesigen Regierungen zu einer anderen Integrations- und Staatsbürgerschaftspolitik durchgerungen hätten, dann hätten AKP-Politiker heute kaum Interesse an Auftritten in Deutschland. Es gäbe dann nämlich kein großes Publikum für sie.