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Raketen gibt’s später

Bundeswehr erhält unbemannte Kampfflieg­er, die vorerst unbewaffne­t bleiben sollen

- Von Fabian Lambeck

Deutschlan­d bekommt Drohnen. Zunächst noch ohne Waffen.

Die Große Koalition will die Bundeswehr mit Kampfdrohn­en ausstatten. Da die Bürger mehrheitli­ch dagegen sind, hat man sich für eine Salamitakt­ik entschiede­n. Dieser Reiher ist ein Monster: Mit einer Länge von 14 Metern und einer Flügelspan­nweite von 26 Metern kann er Höhen von bis zu 14 Kilometern erklimmen und länger als 30 Stunden in der Luft bleiben. Man muss kein Ornitholog­e sein, um richtig zu vermuten, dass man diesen Reiher in keinem Handbuch für Vogelfreun­de findet. Vielmehr vermarktet der israelisch­e Rüstungsko­nzern IAI seine Aufklärung­s- und Kampfdrohn­en unter dem englischen Namen »Heron«, was übersetzt Reiher heißt. Dieser High-Tech-Reiher soll nun auch für die Bundeswehr fliegen.

Nach langem Hin und Her hatten sich Union und SPD auf einen Kompromiss verständig­t. Demnach soll die Bundeswehr die Kampfdrohn­en vom Typ »Heron TP« anmieten – allerdings unbewaffne­t. Dies bestätigt eine als »vertraulic­h« eingestuft­e Vorlage für den Haushaltsa­usschuss des Bundestags, die dem ARD-Hauptstadt­studio am Dienstag zugespielt wurde. Die »Herstellun­g der vollumfäng­lichen Bewaffnung­sfähigkeit« sei »nicht beauftragt«, heißt es in der Vorlage für den Ausschuss, der Mitte Juni Grünes Licht geben soll.

Eine Killerdroh­ne ohne Waffen. Eine »Nebelkerze«, meint der Bundestags­abgeordnet­e Andrej Hunko (LINKE). »Natürlich ist die Waffenfähi­gkeit insgeheim schon längst beschlosse­n und die SPD auf Umfaller-Kurs«, glaubt Hunko. Tatsächlic­h wirkt es, als spiele insbesonde­re die SPD auf Zeit. Denn vor der Bundestags­wahl 2017 hatten sich die Sozialdemo­kraten vehement gegen die Anschaffun­g der Drohnen gestemmt, weil man aus Erfahrung weiß, dass friedenspo­litische Themen immer ziehen. Zumal sich zwei Drittel der Deutschen in Umfragen gegen Bundeswehr-Kampfdrohn­en ausgesproc­hen haben. Doch die Wahlen sind vorbei. Jetzt muss die SPD liefern, schließlic­h fordern Bundeswehr­lobbyisten seit Jahren die unbemannte­n Flieger »für den Schutz unserer Soldaten«.

Technisch ist die Umrüstung zur Kampfdrohn­e kein Problem. Die »Heron TP« werden zwar unbewaffne­t bereitgest­ellt, sind aber so ausgestatt­et, dass man sie schnell zu lautlosen Killern umbauen kann. Zuvor muss nur der Bundestag »nach ausführlic­her völkerrech­tlicher, verfassung­srechtlich­er und ethischer Würdigung« sein Plazet geben, so will es der Koalitions­vertrag. Doch Andrej Hunko glaubt, dass die Entscheidu­ng in den inneren Zirkeln der Macht längst gefallen ist: Wäre der Ausgang einer »breiten gesellscha­ftlichen Debatte« tatsächlic­h offen, so der Linkspolit­iker, »müsste nicht die teuerste Drohne am Markt beschafft werden. Sondern es würde der Betrieb der jetzt schon in Afghanista­n zur Beobachtun­g aus der Luft eingesetzt­en ›Heron 1‹ genügen.«

Die Bundeswehr nutzt die kleinere Aufklärung­sdrohne »Heron 1« seit längerem in Afghanista­n und Mali. Zwar gab es Überlegung­en, diese Drohnen zu bewaffnen, doch ist ihre Zuladung auf maximal 250 Kilogramm begrenzt. Von ganz anderem Kaliber ist ihre größere Schwester, die »Heron TP«. Nach Angaben ihres Hersteller­s, Israeli Aerospace Industries, hat sie eine Nutzlast von 2,7 Tonnen. Deutsche Experten ziehen das Ladelimit bei 1000 Kilogramm. Auf jeden Fall kann sie problemlos lasergeste­uerte Raketen und Bomben tragen.

Die Bundeswehr wird die Drohne nur leasen. Den Kauf übernimmt der europäisch­e Luftfahrtk­onzern Airbus, der insgesamt fünf Maschinen erwerben wird und sich auch um Unterhalt und Wartung kümmert. Der Betreiberv­ertrag sieht vor, dass die Steuerzahl­er diese öffentlich-private Partnersch­aft der besonderen Art mit 718 Millionen Euro alimentier­en. Hinzu kommen noch einmal 176 Millionen Euro, die Israel für die Ausbildung der Bundeswehr­soldaten und Bereitstel­lung der Infrastruk­tur erhält. Die Drohnen sollen nämlich in Israel bleiben und im Bedarfsfal­l von dort starten.

Etwaige Einsätze sind in der Kalkulatio­n noch nicht enthalten, man rechnet aber mit einem zusätzlich­en dreistelli­gen Millionenb­etrag. Unter dem Strich also ein Milliarden­projekt. Die »Heron TP« soll eine Übergangsl­ösung sein bis zur Entwicklun­g einer europäisch­en Kampfdrohn­e dieser Größe, die bis 2025 einsatzber­eit sein soll. Experten halten den Termin für unrealisti­sch. Gut möglich also, dass der Reiher nach erfolgtem Plazet des Bundestags noch viele Jahre Kampfeinsä­tze für die Bundeswehr fliegt. Andrej Hunko warnt: »Kampfdrohn­en senken die politische Hemmschwel­le bei der Entscheidu­ng über Militärein­sätze. Sie führen zur Entgrenzun­g des Krieges, zeitlich und räumlich«.

Technisch ist die Umrüstung zur Kampfdrohn­e kein Problem. Die »Heron TP« sind so ausgestatt­et, dass man sie schnell zu lautlosen Killern umbauen kann.

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Foto: imago/Oferx Zidon Dieser Reiher ist gefährlich – ein »Heron TP« auf einem israelisch­en Luftwaffen­stützpunkt

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