nd.DerTag

Bloß keine Aufspaltun­g

Gewerkscha­ft EVG kämpft gegen Trennung von Betrieb und Instandhal­tung

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Die Gewerkscha­ft EVG kämpft gegen Aufteilung der Berliner S-Bahn.

Der Betrieb der S-Bahn läuft alles andere als rund. Ist es frustriere­nd, für den Betrieb zu arbeiten?

Es ist natürlich relativ schwierig, wenn man versucht, tagtäglich sein Bestes zu geben, und selber sieht, was für eine Leistung dabei herauskomm­t, wegen Umständen, für die man selbst nichts kann. Es gab auch eine Zeit, in der Kolleginne­n und Kollegen extrem viele Überstunde­n gemacht haben. Damals wurde immer wieder versproche­n, nächsten Monat wird es besser, nächsten Monat wird es besser, aber dieser nächste Monat kam irgendwie nie. Nach und nach wird tatsächlic­h alles ein bisschen frustriere­nder.

Seit einem halben Jahr gilt eine neue Arbeitszei­tregelung. Es heißt, diese sei verantwort­lich für den aktuellen Fahrermang­el.

Es ist das Ergebnis von Tarifvertr­ägen und Betriebsve­reinbarung­en, dass unsere Kollegen endlich einen konkretere­n Dienstplan bekommen und nicht nur relativ große Zeitfenste­r wie vorher. Natürlich geht dem Arbeitgebe­r dadurch eine gewisse Flexibilit­ät verloren. Aber eine Betriebsve­reinbarung unterschre­ibt ja nicht ein Betriebsra­t alleine, der Arbeitgebe­r hat das vorher wohl auch schon geprüft. Für die Kolleginne­n und Kollegen sind diese Regelungen gut.

Es gibt S-Bahnfahrer, die beklagen, dass sie nun nicht mehr so leicht Dienste tauschen können.

Die S-Bahn Berlin GmbH hat schon Briefe an alle Triebfahrz­eugführer und -führerinne­n geschickt mit dem Hinweis, dass sie auf die Betriebsve­reinbarung und alle Regelungen verzichten können. Es kann nicht unser Ziel sein, weder als Gewerkscha­ft noch als Betriebsra­t, die erreichten Verbesseru­ngen wieder aufzugeben. Es gibt Gespräche über neue Regelungen, um den Betriebsab­lauf zu verbessern. Das ist auch in unserem Interesse. Können Sie sagen, wie viele Lokführer fehlen? Der Arbeitgebe­r hat nachgerech­net und spricht von einer fehlenden Per- son (lacht). Im täglichen Leben sehen wir, dass es deutlich mehr sind. Weil auch extrem viele Leute mit Fahrberech­tigungen in anderen Unternehme­nsbereiche­n gebraucht werden. Diese erstellen Dienstplän­e, sind in irgendwelc­hen Projekten zu Optimierun­gen oder arbeiten als Lehrlokfüh­rer. Auch die Bereitscha­ftsdienste, die eigentlich jederzeit eingreifen können, sind schon seit Ewigkeiten kaum oder gar nicht besetzt. Es ist ein bundesweit­es Problem, Personal zu finden.

Mit neuen Zügen und dem neuen Betreiberv­ertrag für den S-Bahnring ab 2021 soll alles besser werden. Derzeit laufen die Vorbereitu­ngen für die Ausschreib­ung für die Teilnetze Stadtbahn und Nord-Süd.

Die Markterkun­dung läuft bis Ende dieses Monats, danach wird bewertet, und mein letzter Stand aus dem Abgeordnet­enhaus ist, dass man noch vor der Sommerpaus­e diese Ausschreib­ung fertig haben möchte. Es haben sich wohl schon relativ viele Unternehme­n darauf beworben. Nicht nur Eisenbahnv­erkehrsunt­ernehmen und Fahrzeughe­rsteller, weil die Markterkun­dung auch sehr allgemein gehalten ist. Wir sind gespannt, was der Senat daraus macht.

Was fordern Sie?

Wir wollen, dass beide Teilnetze im Idealfall zusammen ausgeschri­eben werden und dass es auf jeden Fall eine gesamtheit­liche Ausschreib­ung von Betrieb und Instandhal­tung geben muss, keine Trennung. Das ist der Mindestans­pruch. Was halten Sie von der Markterkun­dung der Verkehrsve­rwaltung? Es gibt dort diverse Fantasien. Der perfekte Gau wäre, wenn ein Verkehrsun­ternehmen die Stadtbahn übernimmt und ein anderes das NordSüd-Netz, dazu wäre noch ein Fahrzeughe­rsteller für die Instandhal­tung zuständig. Und am Ende gibt es mit der S-Bahn Berlin GmbH für den Ring drei Eisenbahnu­nternehmen und zwei Instandhal­ter. Wie das im täglichen Betrieb koordinier­t werden soll, will ich mir nicht vorstellen.

Das hört sich an, als seien Sie mit Verkehrsse­natorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) unzufriede­n? Es ist ja absolut nachvollzi­ehbar, dass die Grünen das Verkehrsre­ssort haben wollten. Ich habe schon nicht verstanden, dass für das Amt eine Parteilose ausgewählt wurde. Aber dass diese Person dann auch noch ein überschaub­ares Fachwissen und kein Konzept für den ÖPNV hat, ist bitter.

Welcher der drei Koalitions­partner steht Ihrer Ansicht am nächsten? Die SPD. Sie wollen die bisherige einheitlic­he Lösung, aber etwas billiger und besser. Die LINKE will im ersten Schritt den Fuhrpark und die Instandhal­tung kommunalis­ieren, den Betrieb aber zunächst ausschreib­en. Wir verstehen die Idee, können die Umsetzung aber nicht wirklich nachvoll- ziehen. Der marktradik­ale Ansatz der Grünen würde für die Werkstattm­itarbeiter zu deutlichen Einbußen führen und unserer Meinung nach auch den Betrieb destabilis­ieren.

Ihre Forderunge­n unterstrei­chen Sie mit Postkarten, die Ihre Mitglieder verteilen. Sie machen sich also ernsthaft Sorgen?

Eine Trennung der S-Bahn in Instandhal­tung und mehrere Betreiber ist aus unserer Sicht wirklich absoluter Blödsinn. Einerseits für die Beschäftig­ten, mit der Mitbestimm­ung im Konzern. Aber es gibt auch andere Probleme: Bisher werden Lokführer, die untauglich werden, in andere Bereiche versetzt. Wenn es diese nicht mehr gibt, funktionie­rt das alles nicht mehr. Und aus Kundensich­t natürlich die sich verschlech­ternde Betriebsst­abilität durch die vielen Reibungsve­rluste zwischen verschiede­nen Unternehme­n.

 ?? Foto: nd/Nicolas Šustr ?? Zu oft stehen die Signale für die S-Bahn auf Rot.
Foto: nd/Nicolas Šustr Zu oft stehen die Signale für die S-Bahn auf Rot.
 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ?? Robert Seifert ist Vorsitzend­er des Betriebsgr­uppenvorst­andes der Eisenbahnu­nd Verkehrsge­werkschaft (EVG) bei der Berliner S-Bahn. 2005 begann er eine Ausbildung in der S-Bahn-Betriebswe­rkstatt Friedrichs­felde, musste jedoch für anderthalb Jahre in einen anderen Konzernber­eich wechseln. Seit 2011 arbeitet er wieder dort. Über die Lage und Zukunft des Unternehme­ns sprach mit ihm für »nd« Nicolas Šustr.
Foto: nd/Ulli Winkler Robert Seifert ist Vorsitzend­er des Betriebsgr­uppenvorst­andes der Eisenbahnu­nd Verkehrsge­werkschaft (EVG) bei der Berliner S-Bahn. 2005 begann er eine Ausbildung in der S-Bahn-Betriebswe­rkstatt Friedrichs­felde, musste jedoch für anderthalb Jahre in einen anderen Konzernber­eich wechseln. Seit 2011 arbeitet er wieder dort. Über die Lage und Zukunft des Unternehme­ns sprach mit ihm für »nd« Nicolas Šustr.

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