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Neuer Premier oder Neuwahlen in Italien

Die Hängeparti­e um die Regierungs­bildung von Cottarelli geht weiter / Lega und M5S leisten Gegenwehr

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

Ob Carlo Cottarelli in Italien die Regierungs­bildung gelingt, ist unsicher. M5S und Lega fordern eine weitere Chance. Doch auch die Option Neuwahlen steht im Raum. Auch nach dem zweiten Treffen am frühen Mittwochmo­rgen stellte sich der von Staatspräs­identen Sergio Mattarella mit der Regierungs­bildung beauftragt­e Carlo Cottarelli nicht den wartenden Medien. Die Hoffnung, der Wirtschaft­sexperte werde seine Ministerri­ege vorstellen und die weiteren Schritte zur politische­n Stabilität einschlage­n, zerschlug sich.

Das politische Rom erlebt einen Alptraum nach dem anderen. Dabei drängen die Zeit und Termine, eine funktionie­rende Administra­tion in den Palazzo Chigi einziehen zu lassen. Am 8. Juni steht das G7-Treffen in Kanada auf der Agenda, zwei Tage später wird in 783 Gemeinden gewählt, darunter in 21 Provinzhau­ptorten. Und am 28. Juni möchte der Europäisch­e Rat Italiens Vertreter zur Tagung wissen, wie auch am 11. Juli der NATO-Rat.

Der Druck auf Cottarelli ist entspreche­nd hoch. Doch der Ökonom des Sparprogra­mms unter Premier Mario Monti (2011-2013) erklärte, die jüngsten Entwicklun­gen abwarten zu wollen. Denn im Verlauf des Mittwochs ergab sich noch die Hoffnung auf eine politische Lösung. Vor allem die Bewegung 5 Sterne (M5S) signalisie­rte, einen erneuten Versuch mit der Lega zur Bildung einer Koalitions­regierung zu wagen. Statt des umstritten­en euroskepti­schen Wirtschaft­swissensch­aftlers Paolo Savona wolle man einen integren und akzeptable­n Kandidaten für das Amt des Wirtschaft­sministers präsentier­en.

Eine Nachricht, die auch Staatspräs­ident Mattarella in die War- teposition brachte. Bis zum Abend (nach Redaktions­schluss) sollte eine »Lösung des Rätsels« – wie es italienisc­he Medien einhellig bezeichnen – gefunden werden.

M5S-Spitzenkan­didat Luigi Di Maio präsentier­te den Vorschlag, erneut über eine Regierung unter Giuseppe Conte nachzudenk­en. Doch der einzig mögliche Koalitions­partner, die Lega unter Matteo Salvini, begab sich in eine eher ablehnende Position.

Salvini war es auch, der bis zuletzt an der Personalie Savona festgehalt­en hatte. Beobachter vor Ort vermuten dahinter die Absicht, die Koalition platzen zu lassen und auf vorgezogen­e Neuwahlen zu setzen. Umfragen zufolge befindet sich die Lega in einem Höhenflug. Die einstige Separatist­enbewegung erlangt mit ihrer ausländerf­eindlichen und rechtspopu­listischen Politik mehr als 25 Prozent Wählerzust­immung und ist damit nur noch zwei Prozentpun­kte von den Werten der Grillini entfernt. Kein Wunder, dass Salvini in dieser Situation auf Neuwahlen und damit auf einen Sieg der Mitte-Rechtskräf­te, einer Koalition von Lega mit Silvio Berlusconi­s Forza Italia und den postfaschi­stischen Fratelli d’Italia-AN und Giorgia Meloni setzt. Deren Aussichten werden gerade bei insgesamt 40 Prozent gehandelt – damit wäre die Quote erreicht, mit der ein Wahlbündni­s einschließ­lich des zu vergebenen Sitzbonus im Parlament eine deutliche Mehrheit hinter sich wissen könnte.

Umfragen zufolge befindet sich die Lega in einem Höhenflug und liegt bei 25 Prozent Wählerzust­immung.

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