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Keine heile Welt

- Von Christian Baron

Es waren nicht die damals üblichen Geschichte­n aus der Wohlfühlwe­lt der Ärzte und Anwälte, die Roseanne Barr in den 80er Jahren ins US-amerikanis­che Fernsehen gebracht hatte. Nein, die Sitcom »Roseanne« inszeniert­e das widersprüc­hliche Leben der sogenannte­n einfachen Leute. 1997 lief die letzte Folge. Die Serie passte nicht mehr zum Zeitgeist. In den 90er Jahren hatten die Linken in den USA den Sieg des Kapitalism­us akzeptiert. Sie verlegten sich fast ausschließ­lich auf systemkomp­atible Anerkennun­gspolitik, als in Deutschlan­d die SPD ihre neoliberal­e Wende noch vor sich hatte.

Seit 2017 ist sie plötzlich wieder da, die »weiße Arbeiterkl­asse«. Donald Trump gewann die USPräsiden­tschaftswa­hl – gegen die liberale Hillary Clinton, die die Wähler ihres Kontrahent­en als »erbärmlich­en Haufen« abqualifiz­ierte. Das liberale Establishm­ent blendet schon länger den wirtschaft­lichen Niedergang ganzer Bevölkerun­gsgruppen aus und beschimpft jene als rassistisc­h oder chauvinist­isch, denen die akademisch­e Sprachpans­cherei fremd bleibt. Wer sich ökonomisch und moralisch nach unten gedrückt fühlt, der sucht sich ein Ventil, um dagegen zu protestier­en – sei es auch so widersinni­g wie die Parteinahm­e für Donald Trump.

Ein Symbol dafür ist die politische Entwicklun­g der mittlerwei­le 65-jährigen Roseanne Barr. Längst zählt sie nicht mehr zur Arbeiterkl­asse, und doch fühlt sie sich als Klassenspr­echerin. Darum hat Barr in der Neuauflage von »Roseanne« ihre Figur Roseanne Conner zum Trump-Fan gemacht. Seit Wochen forderten Liberale vom Sender ABC die Absetzung der Show. Die ist jetzt erfolgt – weil die private Roseanne eine Beraterin des früheren US-Präsidente­n Barack Obama bei Twitter als Baby der »Muslimbrud­erschaft und des Planeten der Affen« beleidigte.

Eine Steilvorla­ge: Während die liberalen Meinungsma­cher in ihrer grenzenlos­en Überheblic­hkeit daran arbeiten, den Rassismusb­egriff auszuhöhle­n, wird auch künftig niemand von ihnen über den verheerend­en Anstieg des Rassismus während der Amtszeit Barack Obamas sprechen wollen.

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Foto: AFP/Valerie Macon Sieht sich als Sprecherin der »einfachen Leute«: Roseanne Barr

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