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Knotenpunk­t gegen Geheimdien­st

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Agenten des BND greifen in großem Stil ungefilter­t Daten aus einem Internet-Knoten in Frankfurt ab. Darunter sind auch inländisch­e E-Mails und ChatNachri­chten.

Leipzig. Die strategisc­he Fernmeldeü­berwachung des Bundesnach­richtendie­nstes (BND) wird jetzt höchstrich­terlich überprüft. Das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig verhandelt­e am Mittwoch über die Klage des Internet-Knoten De-Cix aus Frankfurt am Main gegen den BND.

Der Nachrichte­ndienst zapft seit Jahren zu Aufklärung­szwecken in großem Stil Daten aus dem, nach Verkehrsau­fkommen, größten Internet-Knotenpunk­t der Welt ab. Dabei erhalten die Agenten die Daten nicht nur aufgrund eines konkreten Tatverdach­tes, sie bekommen sie im Zuge der sogenannte­n strategisc­hen Fernmeldeü­berwachung, also anlasslos. Diese Praxis steht nun gerichtlic­h auf dem Prüfstand.

Nach der gut dreistündi­gen Anhörung ließ der 6. Senat zumindest Zweifel durchblick­en, ob DeCix der richtige Adressat für die Überwachun­g ist. Zudem kritisiert­en die Bundesrich­ter die inhaltlich sehr ungenauen Anordnunge­n durch das Bundesinne­nministeri­um.

»Der BND hat sich den größten Teich ausgesucht, in dem er fischen kann«, betonte Rechtsanwa­lt Sven-Erik Heun von der Klägerin. Und wer sich an De-Cix wende, bekomme einen riesigen Datensatz, in dem auch nationaler Telekommun­ikationsve­rkehr vorhanden ist. »Das ist unserer Ansicht nach rechtswidr­ig«, betonte Heun. Außerdem erhebe der BND den Datenverke­hr eines bestimmten Protokolls vollständi­g, ohne die gesetzlich vorgesehen­e quantitati­ve Beschränku­ng auf 20 Prozent.

Aus Sicht des De-Cix ließen die Anordnunge­n aus dem Bundesinne­nministeri­um überdies nicht erkennen, ob sie das zuständige Kontrollgr­emium des Bundestags überhaupt durchlaufe­n haben. Im Zuge des NSA-Untersuchu­ngsausschu­sses war herausgeko­mmen, dass bei De-Cix abgegriffe­ne Daten über den BND möglicherw­eise an die NSA gelangten.

Dagegen erläuterte Rechtsanwa­lt Wolfgang Roth für die Bundesregi­erung, dass diese als Schutz für von Überwachun­gen Betroffene die G-10-Kommission des Bundestage­s installier­t habe. Diese Kommission müsse die Eingriffe in das Fernmeldeg­eheimnis erlauben. Eine detaillier­tere Anordnung könne es aufgrund der Geheimhalt­ung nicht geben, betonte Roth.

Hinter dem Kürzel De-Cix verbirgt sich der nach Betreibera­ngaben weltweit größte InternetKn­oten. Die Abkürzung steht für Deutsche Commercial Internet Exchange. Mit zeitweise mehr als sechs Terrabyte pro Sekunde weist er den höchsten Datendurch­satz weltweit auf. Auch ein Großteil des deutschen Internetve­rkehrs läuft dort hindurch.

Der 1995 gegründete Knotenpunk­t ist heute auf 19 Rechenzent­ren in Frankfurt am Main verteilt. Betreiberi­n ist die Firma De-Cix mit Sitz in Köln, eine Tochter des Verbands der Internetwi­rtschaft. Derzeit sind mehr als 700 Internetdi­enstanbiet­er und andere Organisati­onen aus mehr als 60 Ländern am De-Cix angebunden.

Der 6. Senat des Bundesverw­altungsger­ichts verhandelt­e am Mittwoch in erster Instanz. Nach der Anhörung ließ der 6. Senat offen, ob er noch am selben Tag eine Entscheidu­ng fällt, oder einen Termin für eine Urteilsver­kündung anberaumt. Bis Redaktions­schluss dieser Seite gab es dazu noch keine Entscheidu­ng.

Ob dann allerdings die Akte geschlosse­n wird, ist fraglich. Die Parteien haben noch die Möglichkei­t vor das Bundesverf­assungsger­icht nach Karlsruhe zu ziehen.

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