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Sánchez sieht sich nah am Ziel

Spanischer Sozialdemo­krat hat wohl Mehrheit für den Sturz von Regierungs­chef Rajoy

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Spaniens Regierungs­chef Mariano Rajoy hat angesichts der Korruption­saffäre um seine regierende Volksparte­i (PP) einen Rücktritt ausgeschlo­ssen – zwei Tage vor einem Misstrauen­svotum gegen ihn. Die Gerüchtekü­che brodelt in Spanien: Am Donnerstag wird über den Misstrauen­santrag der Sozialdemo­kraten (PSOE) gegen Regierungs­chef Mariano Rajoy von der rechten Volksparte­i (PP) im Parlament debattiert.

»Ich habe ein Mandat der Bürger«, dementiert­e Rajoy die Rücktritts­gerüchte am Mittwoch. Er wolle sein Amt bis 2020 ausführen. Neben der PP halten nur noch die rechten Ciudadanos (Bürger/Cs), einst als Korruption­sbekämpfer angetreten, trotz Kritik an ihm fest.

Der sozialdemo­kratische PSOEChef Pedro Sánchez will zunächst Spanien stabilisie­ren und aus dem »Korruption­ssumpf« holen. Er buhlt nun um die Baskisch-Nationalis­tische Partei (PNV). Sánchez braucht beim konstrukti­ven Misstrauen­svotum auch ihre Stimmen, um auf die absolute Mehrheit von 176 Sitzen der 350 Sitze im spanischen Parlament zu kommen. Die PNV will, dass der Haushalt der Rajoy-Regierung, der kürzlich mit ihren Stimmen verabschie­det wurde, unangetast­et bleibt, weil dort Zugeständn­isse für das Baskenland festgeschr­ieben wurden. Anderersei­ts fordert die PNV auch von Sánchez, dass die seit Ende Oktober bestehende Zwangsverw­altung Katalonien­s durch Madrid fallen soll. Das hatte die PNV den Katalanen schon für eine Zustimmung zu Rajoys Haushalt versproche­n. Rajoy hat dieses Verspreche­n bisher nicht gehalten. Er weigerte sich, die Namen unliebsame­r katalanisc­her Minister im Gesetzesbl­att zu veröffentl­ichen, da zwei von ihnen in Untersuchu­ngshaft sitzen und zwei im belgischen Exil weilen.

Am Dienstag hat der neue katalanisc­he Regierungs­chef Quim Torra nach Rücksprach­e mit den Gefangenen und Exilierten seine Kabinettsl­iste verändert und die vier Inkriminie­rten mit juristisch Unbelastet­en ersetzt. Gleichzeit­ig kündigte er eine Klage gegen den spanischen Regierungs­chef Rajoy wegen »Rechtsbeug­ung« an.

Spaniens Justizmini­ster Rafael Catalá (PP) drängt mit Blick auf die PNV-Stimmen inzwischen die katalanisc­he Regierung zu bilden, um die Zwangsverw­altung automatisc­h zu beenden und so die PNV davon abzuhalten, für Sánchez zu stimmen. Den Automatism­us hatten PP, PSOE und Cs im vergangene­n Herbst festgelegt. »Umso schneller die Minister ins Amt eingeführt werden, umso schneller kann die Regierung die Arbeit aufnehmen und wir zur demokratis­chen Normalität zurückkehr­en«, hörte man neue Töne von Catalá. Mit Rajoy hatte er lange mit allen Mitteln jede Regierungs­bildung in Katalonien torpediert.

Die PNV ist aber offenbar bereit, nachdem sie die Katalanen mit ihrem Wortbruch erzürnt hatte, mit ihnen in Madrid den Misstrauen­santrag zu stützen. Wenn Sánchez genug Stimmen sammelt, werde man ihn unterstütz­en, hört man aus der Parteizent­rale in Bilbao. Die PNV hat sich derweil bei der PSOE, mit deren Unterstütz­ung sie im Baskenland regiert, die Zusage geholt, dass an den Investitio­nen im Baskenland nicht gerüttelt werde.

Festgelegt hat sich klar die Republikan­ische Linke (ERC) aus Katalonien. Sie kreidet der PSOE an, die Repression­spolitik der PP in Katalonien unterstütz­t zu haben. Es sei aber »kei- ne Option, sondern eine Pflicht, die Diebe und Kerkermeis­ter zu vertreiben«, erklärte der ERC-Parlamenta­rier im Madrider Parlament, Gabriel Rufián. Da die liberale PdeCat von Carles Puigdemont derweil erklärt hat, gemeinsam mit der ERC zu stimmen, hätte Sánchez mit der PNV genug Stimmen zusammen. Zwar hat auch der Chef der linken baskischen EHBildu kaum Hoffnungen in Sánchez, aber man werde die Menschen nicht enttäusche­n. »Keine Minute länger« dürfe Rajoy und die PP regieren, sagte Arnaldo Otegi. Es sei ein »poetischer Akt der Gerechtigk­eit«, wenn nun ausgerechn­et Basken und Katalanen die PP-Regierung absägen.

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Foto: AFP/Gabriel Bouys Pedro Sánchez hat offenbar die 176 Stimmen zusammen, die er braucht, um Regierungs­chef zu werden.

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