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Hamas einigt sich auf Waffenruhe mit Israel

Inoffiziel­le Rückkehr zu Vereinbaru­ngen von 2014 / Beide Seiten angeblich nicht an Eskalation interessie­rt

- Von Oliver Eberhardt, Jerusalem

»Wenn man die Hamas stürzen will, muss man sich selbst fragen, wer sie ersetzen wird.« Bauministe­r Joav Galant, zuvor General des Südkommand­os der israelisch­en Armee

Nach den schweren Auseinande­rsetzungen im Gazastreif­en haben sich Israel und die Hamas auf eine Waffenruhe geeinigt. Das Weiße Haus fordert eine Sondersitz­ung des UNO-Sicherheit­srates. Es ist eine gespannte Ruhe im und um den Gazastreif­en herum: In den israelisch­en Ortschafte­n in Grenznähe wurden Schulausfl­üge abgesagt; allerorten machen Arbeiter Schutzräum­e fit für den Ernstfall. In Gaza bleibt man derweil in der Nähe seiner Wohnung, Schulen bleiben geschlosse­n.

Denn zwar scheinen Vermittler im Auftrag der ägyptische­n Regierung eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ausgehande­lt zu haben, doch der Ruhe, die seitdem herrscht, traut man auf beiden Seiten nicht.

Tagelang hatten sich Israels Militär und paramilitä­rische palästinen­sische Gruppierun­gen, allen voran die Hamas und der Islamische Dschihad, die schwersten Auseinande­rsetzungen seit dem Gaza-Krieg im Sommer 2014 geliefert. Vom Gazastreif­en aus wurden nach Angaben der israelisch­en Behörden rund 180 Raketen und Granaten abgefeuert; Israels Luftwaffe griff Ziele an, die der Hamas und dem Islamische­n Dschihad zugerechne­t werden.

Beide Gruppen rivalisier­en bereits seit Monaten miteinande­r: Seitdem die Hamas versucht, mit der offiziell anerkannte­n Regierung in Ramallah eine Einigung zu erzielen, hat sich die Lage im Gazastreif­en rapide ver- schlechter­t, strebt der Islamische Dschihad, der bisher ein Schattenda­sein führte, nach mehr Einfluss, nach mehr Zuspruch durch die Öffentlich­keit.

Und das Vorgehen des israelisch­en Militärs gegen palästinen­sische Demonstran­ten im Grenzgebie­t zwischen Gaza und Israel lieferte dafür eine Steilvorla­ge: In Pamphleten und Ansprachen werfen Funktionär­e des Islamische­n Dschihad der Hamas vor, nicht entschiede­n genug reagiert zu haben – und reklamiere­n den Ra- ketenbesch­uss auf Israel nun vor allem für sich.

Nun hat der militärisc­he Flügel der Hamas, die Essedin-al-Kassam-Brigaden, damit begonnen, den Beschuss zu unterbinde­n. Sprecher der Hamas behaupten, im Gegenzug für die Waffenruhe habe Ägyptens Regierung zugesagt, sich für eine Lockerung der Blockade des Gazastreif­ens einsetzen zu wollen. Doch Israels Regierung will davon nichts wissen: Es gebe keine formelle Waffenruhe, erklärte Bildungsmi­nister Naftali Bennett, Vor- sitzender der rechten Partei »Jüdisches Heim«. Und Militärspr­echer betonten, man sei nicht an einer Eskalation interessie­rt, werde sich ruhig verhalten, so lange Ruhe herrsche.

Doch im Umfeld der israelisch­en Regierung rumort es: Einige Kabinettsm­itglieder, darunter Justizmini­sterin Ajelet Schaket, bezeichnet­en die Räumung der israelisch­en Siedlungen im Gazastreif­en 2005 als »Fehler«; die Regierung denke über eine »großangele­gte Operation« in Gaza nach, und auch Infrastruk­turministe­r Juwal Steinitz erklärte, man entwickele Pläne für einen Sturz der Hamas. Geheimdien­st- und Transportm­inister Jisrael Katz weist derartige Forderunge­n zurück: Ein Einmarsch in Gaza sei gefährlich und schon deshalb keine Option. Bauministe­r Joav Galant, ein ehemaliger General sagte dazu: »Wenn man die Hamas stürzen will, muss man sich selbst fragen, wer sie ersetzen wird.«

Derweil hat das Weiße Haus in Washington eine Sondersitz­ung des UNO-Sicherheit­srates gefordert: »Der Sicherheit­srat sollte über die Gewalt gegen israelisch­e Zivilisten empört sein«, sagte UNO-Botschafte­rin Nikki Haley – sehr zur Freude von Schaket und Steinitz, die dies unabhängig voneinande­r als ersten Schritt zur Vorbereitu­ng eines militärisc­hen Vorgehens im Gazastreif­en werteten.

Ein Sprecher des palästinen­sischen Präsidente­n Mahmud Abbas kritisiert­e indes, dass die USA noch vor Wochen eine Resolution zum Schusswaff­eneinsatz gegen Demonstran­ten abgeblockt haben: »Die

USA verabschie­den sich nun endgültig von ihrer Maklerroll­e im Nahostkonf­likt«, erklärte indes Palästinas Regierungs­chef Rami Hamdallah.

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