nd.DerTag

Nicht mehr als ein Kompromiss

Sanierungs­konzept beim Autobauer Opel stößt in Thüringen nicht auf Begeisteru­ng

- Von Sebastian Haak

Der Autobauer Opel hat ein neues Sanierungs­konzept. Betriebsra­t und Unternehme­nsspitze haben sich darauf verständig­t, wie es bis 2023 weitergehe­n soll. Vor allem in Thüringen aber ist man von dem erzielten Kompromiss ernüchtert. Euphorie klingt anders. Und selbst Zufriedenh­eit klingt nicht so wie das, was vor allem aus Thüringen am Tag nach dem Sanierungs­konzept für den deutschen Autobauer Opel zu hören ist. Zwar mag man sich in der Konzertzen­trale in Rüsselheim darüber freuen, dass der vom Opel-Mutterkonz­ern PSA geforderte Personalab­bau in den deutschen Standorten auf 3700 Jobs begrenzt bleiben soll – und bereits fast so viele Opel-Beschäftig­te das Unternehme­n freiwillig verlassen haben; viele aus Frust darüber, dass sie in den vergangene­n Monaten schon wieder um ihre Arbeitsplä­tze zittern mussten; andere aus Angst davor, dass sie demnächst wieder zittern müssten, blieben sie bei Opel.

Doch gerade für das einzige Werk des Konzerns in Ostdeutsch­land ist das neue Sanierungs­konzept hart. Ob der Standort in Eisenach langfristi­g eine Zukunft haben wird, ist mit dem Kompromiss weiter ungewiss, wenn man dem glaubt, was über dieses Werk aus dem Betriebsra­t und aus der Landespoli­tik zuletzt gesagt worden ist.

In Detail sieht das am Dienstag vorgestell­te Sanierungs­konzept für Opel neben dem Personalab­bau im Wesentlich­en vor, dass die Jobs der demnächst noch etwa 15 000 Opelaner in Deutschlan­d bis Juli 2023 vor betriebsbe­dingten Kündigunge­n sicher sein sollen. Zudem sichert PSA in einem Eckpunkte-Papier Investitio­nen in sämtliche deutsche Opel-Standorte zu. Im Stammwerk in Rüsselshei­m soll es laut Unternehme­n zusätzlich zu den bisherigen Projekten noch ein weiteres geben: Dort soll eine komplette 1,6-Liter-Benzin-Motorenfam­ilie für den PSA-Konzern entwickelt werden. Im Eisenach sollen bald der Geländewag­en Grandland sowie eine HybridVers­ion dieses Fahrzeugs vom Band rollen.

Schon mit Blick auf die Gesamtbele­gschaft von Opel sind die Zugeständn­isse, die die Beschäftig­ten für ihre Jobs machen sollen, hart. Die im Rahmen des jüngsten IG-Metall-Tarifabsch­lusses vereinbart­en Zusatz- zahlungen, die ab Mitte 2019 wirksam werden, sollen nach Angaben der Unternehme­nsführung für die Laufzeit des Sanierungs­vertrages entfallen. »Mögliche weitere Tariferhöh­ungen ab 2020 werden darüber hinaus für die Laufzeit des Vertrags in ihrer Wirksamkei­t verschoben«, heißt es in einer Mitteilung von Opel.

Noch krasser trifft es allerdings eben Eisenach. Weshalb zum Beispiel Thüringens Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am Mittwoch mitteilen lässt, er sei zwar erleichter­t, nehme das Sanierungs­konzept aber zurückhalt­end auf. Insbesonde­re die Arbeitspla­tzgarantie bis 2023 sei eine gute Nachricht. »Allerdings hätte ich mir eine bessere Auslastung und breitere Aufstellun­g des Thüringer Werks gewünscht«, sagt er. Dass in Eisenach bis zu 450 der zuletzt etwa 1800 Jobs wegfallen sollten, sei schmerzlic­h. Auch wenn der Personalab­bau auf freiwillig­er Basis geschehe.

Thüringens Arbeitsmin­isterin Heike Werner (LINKE) nennt das Verhandlun­gsergebnis beim Kurznachri­chtendiens­t Twitter folglich ganz nüchtern »einen Kompromiss«; nicht etwa einen »guten« oder »tragfähige­n« Kompromiss.

Die Partei- und Fraktionsv­orsitzende der LINKEN in Thüringen, Susanne Hennig-Wellsow, wird quasi stellvertr­etend für viele Landespoli­tiker im Freistaat wie üblich noch deutlicher: Zwar sei das Sanierungs­konzept ein Beispiel dafür, dass sich Arbeitskäm­pfe lohnten, twitterte sie ebenfalls am Mittwoch. Aber sie bekennt auch: »Es ist nicht unsere Wunschvari­ante.«

Die Thüringer Ernüchteru­ng wird vor allem verständli­ch, wenn man bedenkt, wie sehr Vertreter des Eisenacher Betriebsra­ts und der Landespoli­tik in den vergangene­n Wochen darauf gedrängt hatten, in dem Werk müssten in Zukunft mindestens zwei selbststän­dige Opel-Modelle gebaut werden; und nicht etwa nur ein Modell mit einer zusätzlich­en Antriebsva­riante – so, wie es jetzt im Sanierungs­konzept vorgesehen ist. Arbeitnehm­ervertrete­r und Landespoli­tiker hatten immer wieder betont, das Werk sei für die Produktion von zwei Modellen ausgelegt. Werde dort nur eines gebaut, stehe dem Werk nichts anderes bevor als ein Tod auf Raten.

Stimmt in Thüringen also heute noch das, was dort gestern galt, ist die langfristi­ge Perspektiv­e für den Standort alles andere als sicher.

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Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbran­d

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