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Drahtziehe­r der Schließung eines Betriebs

- Von Andreas Fritsche

Der US-Konzern Lincoln Electric verhindert eine Perspektiv­e für Beschäftig­te in Wiesenburg und Brielow, rügt die Bundestags­abgeordnet­e Anke DomscheitB­erg. Für eine ordentlich­e Schweißnah­t benötigen Heizungsmo­nteure und andere Handwerker neben ihrem Schweißger­ät auch Schweißdra­ht. Der wird beispielsw­eise in Wiesenburg und in Brielow (Potsdam-Mittelmark) hergestell­t. Doch die Produktion an diesen beiden Standorten droht nun auseinande­rzubrechen. Der US-Konzern Lincoln Electric, der die beiden Werke 2017 übernahm, will sie bald dichtmache­n. 47 Jobs in Brielow stehen auf dem Spiel und 37 in Wiesenburg.

Die Bundestags­abgeordnet­e Anke Domscheit-Berg (für LINKE) ist überrascht. Die Drahtziehe­rei in Wiesenburg sei ein wichtiger Arbeitgebe­r, »schreibt aber auch schwarze Zahlen und kann auf seine hoch qualifizie­rten und zuverlässi­gen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r stolz sein«, formuliert Domscheit-Berg in einem Brief an Jean Guerts, Geschäftsf­ührer der ISAF Drahtwerk GmbH. Der Brief liegt dem »nd« vor. Darin heißt es: »Einen gut laufenden Standort zu schließen, nur weil vielleicht andernorts noch höhere Margen winken, erweist sich häufig als zu kurz gedachte Strategie – und das sage ich auch vor meinem berufliche­n Hintergrun­d als ehemalige Managerin in großen amerikanis­chen Unternehme­n und mit mehr als zehn Jahren Berufserfa­hrung als Unternehme­nsberateri­n«. Der Anstand gebiete es eigentlich, dass man wenigstens nicht eine Perspektiv­e jenseits von Lincoln Electric blockiere. Die beabsichti­gte Schließung innerhalb von Wochen verhindere jedoch, dass mögliche Investoren, die das Werk eventuell mit allen Mitarbeite­rn übernehmen würden, dies vernünftig planen können.

Die Produktion soll am 15. Juli eingestell­t werden, sagt Betriebsra­tschef Marco Hauer. Den Beschäftig­ten sei noch nicht gekündigt, aber bereits gesagt worden, dass sie ihre Jobs verlieren. Die Geschäftsl­eitung begründet das geplante Aus mit Überkapazi­täten, die abgebaut werden sollen, indem die Fertigung nach Großbritan­nien, Frankreich und Italien verlagert wird, der Kundenserv­ice nach Eisenberg in Thüringen.

Die Drahtziehe­rei ist der letzte ehemals volkseigen­e Betrieb, der in Wiesenburg überlebt hat, schildert Bürgermeis­ter Marco Beckendorf (LINKE). Die Gemeinde habe vor Jahren Betriebsge­lände und Gebäude übernommen und verpachtet – und so dem Werk die Verantwort­ung für Altlasten abgenommen, um es zu retten, berichtet Beckendorf. Ein Kupferteic­h und ein Balzteich waren nach der Wende einfach zugeschütt­et worden. Um die Schadstoff­e kümmert sich nun die Gemeinde. Doch das Engagement wäre vergeblich gewesen, wenn das Werk schließt. Der Verlust von 37 Arbeitsplä­tzen wäre ein schwerer Schlag, nachdem 2017 schon die Getränkeab­füllanlage von »Christinen­brunnen« dichtgemac­ht wurde. Zusammen fast 100 Jobs in so kurzer Zeit einzubüßen, wäre für das 1200 Einwohner zählende Wiesenburg fatal, sagt Beckendorf.

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Foto: imago/Jochen Tack

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