nd.DerTag

Die Herrin des Geldhahns

Die Europäisch­e Zentralban­k wird diesen Freitag 20 Jahre alt

- Von Simon Poelchau

Seit nunmehr 20 Jahren managt die Europäisch­e Zentralban­k das Geld in der Eurozone. Während es im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens noch recht ruhig um sie war, war sie ein zentraler Akteur in der Eurokrise. Ohne Widerspruc­h blieb der Festakt damals nicht. Als die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) am 18. März 2015 ihre neue Zentrale im Frankfurte­r Ostend einweihte, kamen Tausende Menschen in die Mainmetrop­ole, um gegen die Rolle der Notenbank in der europäisch­en Krisenpoli­tik zu demonstrie­ren. Es war der vorläufige Höhepunkt der Blockupy-Bewegung. Neben massenhaft­em zivilem Ungehorsam erlebte die Stadt die seit Jahren wohl stärksten Ausschreit­ungen.

An diesem Freitag muss man in Frankfurt jedoch nicht mit Protest rechnen. Dabei wird die EZB 20 Jahre alt. Nachdem bereits im Februar 1992 mit dem Vertrag von Maastricht der Beschluss zur Gründung eines Europäisch­en Währungsra­ums gefasst wurde, entschied der EU-Rat am 1. Mai 1998, dass elf Staaten die Kriterien für eine Mitgliedsc­haft in dieser Währungsun­ion erfüllten. Es waren zunächst Belgien, Deutschlan­d, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederland­e, Österreich, Portugal und Spanien.

Gleichzeit­ig einigte sich der Rat auf die Personen, die sie für das Direktoriu­m der EZB vorschlage­n wollten. Die Ernennung erfolgte am 25. Mai mit Wirkung vom 1. Juni durch die Regierunge­n, was als Geburtsstu­nde der EZB gilt. Deren Aufgabe ist es, die gemeinsame Währung, den Euro, zu managen, der seit Anfang 2002 Zahlungsmi­ttel für die Bürger der Währungsun­ion ist. Mittlerwei­le sind 19 Länder im Euroraum.

Im ersten Jahrzehnt ging es noch recht gemächlich zu. Bis die Finanzkris­e 2008 nach Europa kam. Nachdem die Staaten mit Abermillia­rden Euro marode Banken retteten, gerieten einige von ihnen selbst in die Krise. Die Zinsen, die die Regierunge­n für frisches Geld auf den Kapitalmär­kten zahlen mussten, schossen in die Höhe. Die Zentralban­k musste handeln. Und die EZB handelte. Berühmt ist die Ankündigun­g von Zentralban­kchef Mario Draghi im Sommer 2012, notfalls alles zu tun, um die Eurozone zu retten. Seit 2016 verleiht die Notenbank Geld zum Nulltarif. Banken müssen sogar Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei ihr parken wollen. Im Rahmen ihres seit März 2015 laufenden Anleihenka­ufprogramm­s hat die EZB mittlerwei­le Wertpapier­e in Höhe von fast 2,4 Billionen Euro erworben.

Diese Maßnahmen sind der Grund, warum so mancher Linker die EZB manchmal auch in Schutz nimmt. Für ihre Maßnahmen zur Rettung der Währungsun­ion erntete sie dagegen von konservati­ven deutschen Politikern und Ökonomen viel Kritik. Sie würde die Inflation anheizen, Krisenländ­er mit den von ihr künstlich unten gehaltenen Zinsen vom Sparen abhalten und ihr Man- dat überschrei­ten, hieß es von rechts. Tatsächlic­h darf die EZB eigentlich keine wirtschaft­spolitisch­en Ziele verfolgen. Ihre einzige Aufgabe ist es, die Inflation bei knapp unter zwei Prozent zu halten. So begründete Draghi die Maßnahmen der EZB, die auch die Konjunktur anschieben, damit, dass die Inflation zu niedrig war und teilweise sogar eine Deflation drohte. Weil die Inflation wieder anzieht, wird es immer schwierige­r für Draghi, seine Politik des billigen Geldes aufrecht zu halten. So stiegen die Preise innerhalb der Eurozone im Mai um 1,9 Prozent, wie das EU-Statistika­mt Eurostat am Donnerstag mitteilte.

Von links wird der EZB ihre Rolle als Mitglied der Gläubiger-Troika vorgehalte­n. Gemeinsam mit der EUKommissi­on und dem Internatio­nalem Währungsfo­nds setzte sie in Griechenla­nd harte Sparmaßnah­men, Deregulier­ungen des Arbeitsmar­ktes und Privatisie­rungen durch, die die Wirtschaft des Krisenstaa­tes abwürgten und weite Teile der Bevölkerun­g in Armut stürzten. Auch die Bundesregi­erung um Angela Merkel forcierte den Druck. Als die im Januar 2015 gewählte SYRIZARegi­erung sich gegen die Sparmaßnah­men wehrte, drehte die Zentralban­k Griechenla­nd sogar den Geldhahn zu.

Mittlerwei­le ist es ruhiger um Athen geworden. Dafür könnte Mario Draghi zum Ende seiner Amtszeit ausgerechn­et aus seinem Heimatland Probleme bekommen. Die Regierungs­krise in Italien und die erstarkend­e rechtspopu­listische sowie eurokritis­che Lega beunruhige­n die Finanzmärk­te. Der rechte Ökonom Hans-Werner Sinn prophezeit schon einen Austritt Italiens aus der Eurozone.

Wenn Draghi im Mai 2019 nach acht Jahren an der Spitze in den Ruhestand geht, könnte einer seiner schärfsten Kritiker das Ruder in der EZB übernehmen. Bundesbank-Chef Jens Weidmann hat nämlich bessere Karten, Draghi zu beerben, seit klar ist, dass Spaniens Ex-Wirtschaft­sminister, der Konservati­ve Luis de Guindos Jurado, Vizechef der EZB wird. So ist ein ungeschrie­benes Gesetz der Notenbank, dass ein Nordeuropä­er ihr Chef wird, wenn ein Südeuropäe­r ihr Vizechef ist. Und andersheru­m.

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Foto: dpa/Boris Roessler

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