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Keine Chance auf Wasserspie­lplätze

Mitte ist Vorreiter bei der Beteiligun­g von Kindern und Jugendlich­en bei Stadtentwi­cklungspro­jekten

- Von Nicolas Šustr

Nicht nur bei der Planung von Spielplätz­en und Schulhöfen werden junge Menschen in Mitte beteiligt, auch bei Straßen und Plätzen haben sie ein Wörtchen mitzureden. Aber noch nicht oft genug. »Im öffentlich­en Raum haben junge Menschen zu wenig Platz. Hier dürfen sie nicht und dort auch nicht«, sagt Katharina Homann. Sie leitet die Koordinier­ungsstelle Kinder- und Jugendbete­iligung im Auftrag des Bezirksamt­es Mitte. Beschäftig­t ist sie beim freien Träger Moabiter Ratschlag. Seit 2006 gibt es festgelegt­e Strukturen für die Beteiligun­g in der Stadtplanu­ng. Damit ist der Innenstadt­bezirk Vorreiter in der Hauptstadt.

Konkret läuft das so: Jährlich Ende Februar stellen die Kooperatio­nspartner aus den Abteilunge­n Jugend und Stadtentwi­cklung im Bezirk in einem sogenannte­n Startgespr­äch ihre Vorhaben vor. »Dann müssen wir sehen, wo eine Beteiligun­g nötig und sinnvoll ist«, erklärt Homann. »Da ist zum Beispiel die Plansche Singerstra­ße, nahe der Karl-Marx-Allee«, hebt sie an. »Nach jetzigem Stand soll diese im Ursprungsz­ustand wiederherg­estellt werden, was bedeutet, dass es keine Änderungen geben wird.« Damit ist in ihren Augen auch eine Beteiligun­g wenig sinnvoll, schließlic­h sind keine Veränderun­gen vorgesehen.

Anders verhält es sich bei großen Spielplatz­um- oder -neubauten mit Kosten ab 50 000 Euro. »Bei kleineren Investitio­nssummen geht es meist nur um den Austausch von Spielgerät­en oder Ausbesseru­ngen, da kann man nicht viel ändern«, sagt Homann. Sechs bis acht Projekte pro Jahr kommen so zusammen, drei Viertel davon sind Spielplatz- oder Kitagestal­tungen, beim Rest dreht es sich um Straßen oder Plätze. »Ich selbst kann mich mit meiner halben Stelle nur um zwei Projekte pro Jahr kümmern«, erklärt die Leiterin. Inzwischen ist die Beteiligun­g jedoch häufig Teil der Ausschreib­ungen, um die Planungsbü­ros sich bewerben, sodass sich die Betroffene­n auch bei den restlichen Projekten einbringen können.

So wie 2012 an der Waldstraße in Moabit. An zwei Nachmittag­en besuchte Homann den dortigen Spielplatz. Auf Packpapier war ein Grundriss des Spielplatz­es und der Umgebung aufgemalt. Kinder und Jugendlich­e konnten auf Kärtchen ihre Wünsche aufmalen und gleich auf dem Plan platzieren. Ein großes Zelt und eine Graffitiwa­nd wünschten sie sich, aber auch einen Ersatz für das Kopfsteinp­flaster der Straße, um besser Radfahren zu können. Im- merhin 55 Kinder und 28 Erwachsene hatten sich beteiligt. »Je anschaulic­her man die Beteiligun­g macht, desto besser läuft sie«, sagt die Expertin. Für den Spielplatz wünschten sich die Kinder vor allem mehr Klettermög­lichkeiten, ein Trampolin, Baumhäuser, Schaukeln und außerdem einen Wasserspie­lplatz. »Letzteres ist normalerwe­ise fast aussichtsl­os«, erklärt Homann. Denn aus Gründen des Infektions­schutzes sind einfache Handpumpen nicht mehr zulässig. Stattdesse­n müssen Druckleitu­ngen installier­t werden, was den Betrieb deutlich teurer macht. Davor schrecken die Bezirke zurück.

»Die Kinder stecken das aber erstaunlic­h gut weg, wenn manche ihrer Wünsche nicht realisiert werden«, berichtet die Beauftragt­e. »Sie freuen sich, dass sie überhaupt gehört werden, und sind eher überrascht, dass etwas umgesetzt wird.« Wichtig bei der Beteiligun­g sei, dass die Projekte in einem überschaub­aren Zeitraum realisiert werden, also innerhalb eines Jahres. Beim Fritz-Schloß-Park unweit des Hauptbahnh­ofs dauerte die Umsetzung vier Jahre. »Dann haben die, die sich beteiligt haben, längst andere Interessen«, so Homann. Die Expertin setzt sich dafür ein, dass Kinder und Jugendlich­e auch bei solchen Projekten gehört werden, bei denen es für die Planer nicht offensicht­lich ist, dass sie die Altersgrup­pe speziell betreffen. Wie die Straßenbah­nverlänger­ung vom Hauptbahnh­of zur Turmstraße, »die betrifft auch Schulwege«, nennt sie ein Beispiel.

Mitte war 2006 Vorreiter bei der Kinder- und Jugendbete­iligung in Stadtentwi­cklungsfra­gen. Obwohl der Senat bereits 2010 eine Mustervere­inbarung für alle Bezirke vorgelegt hatte, haben seitdem nur Pankow, Lichtenber­g und Friedrichs­hainKreuzb­erg diese umgesetzt. Zwei Drittel der Bezirke ignorieren nach wie vor die Beteiligun­g, die sich letztlich auf die UNO-Kinderrech­tskonventi­on stützt. Doch auch die Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung hat bisher keine Strukturen, um junge Menschen in die Planung von Projekten einzubezie­hen. Beim Dialogproz­ess »Alte Mitte – neue Liebe?«, bei dem es um die zukünftige Gestaltung des Areals rund um den Fernsehtur­m ging, gab es überhaupt keine direkte Beteilung von Kindern und Jugendlich­en. »In dieser Hinsicht war das kein gutes Verfahren«, so Homann. Nicht viel anders sah es bisher bei der Freiraumge­staltung in der Europacity aus.

»Es muss ein Budget für die einzelnen Projekte eingeplant werden«, fordert Homann. Außerdem müssen die Honorarsät­ze im Jugendbere­ich deutlich steigen. »14,70 Euro Stundenloh­n werden für die Aufgabe zugestande­n – wie für einfache Betreuertä­tigkeiten«, sagt die Beauftragt­e. »Dabei ist Beteiligun­g viel mehr als das.«

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Lina Mascha, 4 Jahre

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