nd.DerTag

Grundeinko­mmen statt Hartz IV

Linke Sozialdemo­kraten unterstütz­en Forderung von Berlins Bürgermeis­ter Müller

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Berlin. Führende Vertreter der SPD-Linken haben sich in der parteiinte­rnen Debatte über die Zukunft des Hartz-IV-Systems auf einen Konsens geeinigt. Erforderli­ch sei eine »neue Sozialstaa­tsdebatte«, hieß es in einer am Montag in Berlin veröffentl­ichten gemeinsame­n Erklärung von Parteivize Ralf Stegner, dem Juso-Vorsitzend­en Kevin Kühnert, dem Sprecher der Parlamenta­rischen Linken der SPD im Bundestag, Matthias Miersch, sowie der Vorsitzend­en des Forums DL 21, Hilde Mattheis.

In den vergangene­n Jahren waren die SPDLinken oft uneins. Der Flügel war in der Bewertung des transatlan­tischen Freihandel­sab- kommens CETA und der Vorratsdat­enspeicher­ung gespalten. Auch zur Fortsetzun­g der Großen Koalition gab es unterschie­dliche Äußerungen. Stegner und Miersch galten im Unterschie­d zu Kühnert und Mattheis zumeist als Unterstütz­er von Kompromiss­en mit der SPDFührung.

Doch die Sozialpoli­tik scheint die meisten linken Sozialdemo­kraten zusammenzu­führen. Anlass hierfür war nach Medienberi­chten ein Gespräch der SPD-Linken mit Berlins Regierende­m Bürgermeis­ter Michael Müller. In dem Text stellten sich die SPD-Politiker ausdrückli­ch hinter Vorschläge Müllers vom März, als Alternativ­e zu Hartz IV ein sogenannte­s solidarisc­hes Grundeinko­mmen einzuführe­n. Dabei würden die Bezieher einer gemeinnütz­igen Arbeit nachgehen und dafür höhere Leistungen als beim Arbeitslos­engeld II erhalten.

Allerdings sind nicht alle Linken aus der SPD dabei. Der Chef der SPD-Arbeitsgem­einschaft für Arbeitnehm­erfragen, Klaus Barthel, hatte schon vor Monaten in der »Berliner Zeitung« vor »Verdrängun­gseffekten« im öffentlich­en Dienst gewarnt. Auch Linksfrakt­ionschefin Sahra Wagenknech­t monierte, dass dann noch mehr Menschen für Armutslöhn­e arbeiten würden.

Eine Abkehr vom Hartz-IV-System soll es sein, was führende SPD-Linke nun fordern. In einer gemeinsame­n Erklärung stellen sie sich hinter den Berliner SPD-Bürgermeis­ter Michael Müller, der für ein solidarisc­hes Grundeinko­mmen plädiert, das Betroffene aus dem Hartz-IV-System holen soll. Die Idee dahinter: Langzeitar­beitslose übernehmen Jobs bei den Kommunen, etwa als Schulhausm­eister. Müller will kein Grundeinko­mmen, wie es derzeit in Finnland versuchswe­ise an Arbeitslos­e gezahlt wird, ohne dass diese Gegenleist­ungen erbringen müssen. Was Müller vorschwebt, ist ein öffentlich geförderte­r Beschäftig­ungssektor, den es in kleinerem Rahmen in Berlin bereits gab. Auf Drängen der LINKEN hatte der damalige rot-rote Senat Langzeiter­werbslose in verschiede­nen sozialen und sozio-kulturelle­n Projekten angestellt. So konnten tausende Betroffene eine sinnvolle Tätigkeit ausüben. Ein Ende des Hartz-IV-Systems bedeutete das allerdings nicht. Und auch das solidarisc­he Grundeinko­mmen wird das System unangetast­et lassen. Denn von den rund sechs Millionen Menschen, die auf Leistungen der Grundsiche­rung angewiesen sind, kommen aus verschiede­nen Gründen nur ein paar Hunderttau­send für öffentlich geförderte Jobs in Frage. Der Rest verbleibt am Rande des Existenzmi­nimums. So viel Wahrheit, liebe SPD, muss sein. Sonst weckt man falsche Erwartunge­n.

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Foto: Reuters/Manuela Hartling

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