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Auf dem Marsch – doch nicht im Gleichschr­itt

Merkels Reaktion auf Macrons Werben für gemeinsame Militärein­sätze – Linkspolit­iker Stefan Liebich verlangt Besinnung auf zivile Konfliktbe­arbeitung

- Von René Heilig

Kanzlerin Merkel geht in der Debatte über eine andere europäisch­e Verteidigu­ngspolitik auf Frankreich­s Präsidente­n Macron zu. So wird es vermeldet. Doch ist das auch so?

Es ist wie so oft bei der Bundeskanz­lerin: Erst schweigt sie, und wenn sie etwas äußert, bleibt ein knallharte­s »Mal sehen« übrig. So liest sich auch, was Angela Merkel der »Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung« sagte: »Ich stehe Präsident Macrons Vorschlag einer Interventi­onsinitiat­ive positiv gegenüber.« Eilige Beobachter machten daraus ein deutsches Entgegenko­mmen, was es nicht gibt. Wo mögliche Kompromiss­linien zu finden sind, wird man erst erfahren, wenn – vermutlich noch in diesem Monat – ein sogenannte­r »Letter of Intent« zu dieser Initiative auch von Deutschlan­d unterzeich­net wird.

Als die Bundesregi­erung die Obleute des Auswärtige­n Ausschusse­s vor einigen Wochen vertraulic­h über den französisc­hen Vorstoß informiert­e, »war ihr die Skepsis deutlich anzumerken«, erinnert sich Stefan Liebich von der Linksfrakt­ion. »Zu wenig europäisch, zu französisc­h das Ganze. Es überwog die Sorge, dass Deutschlan­d in französisc­he Abenteuer einbezogen werden könnte.«

Wie sieht die Position der Bundesregi­erung Wochen später aus? Hinhaltend! Merkel lehnt Sondertour­en jenseits der Bündnisse ab. Eine – von Frankreich gewünschte – Interventi­onstruppe müsse eine »gemeinsame militärstr­ategische Kultur« haben und »in die Struktur der verteidigu­ngspolitis­chen Zusammenar­beit eingepasst sein«, sagt sie und betont die Rolle der gerade beschlosse­nen »Ständigen Strukturie­rten Zusammenar­beit« im EU-Rahmen namens PESCO. Höchst schwammig ist, was Merkel sich unter einem »europäisch­en Sicherheit­srat« vorstellt, mit dem in außenpolit­ischen Fragen schneller zu agieren wäre. Zumal die Kanzlerin – verfas- sungstreu – betont, dass die Bundeswehr im Gegensatz zur französisc­hen Truppe eine Parlaments­armee ist und bleiben soll. Jeder bewaffnete Einsatz im Ausland muss vom Bundestag vorab gebilligt werden.

Das alles ist nicht das, was Macron als Antwort auf seine European Interventi­on Initiative vom vergangene­n September hören wollte. Er argumentie­rt wie auch viele Konservati­ve in Deutschlan­d, die den Parlaments­vorbehalt aushebeln wollen, dass die EU über eine Truppe verfügen müsse, die schnell und planbar einsatzber­eit ist. Paris wünscht sich dazu willige und vor allem militärisc­h fähige europäisch­e Staaten außerhalb der zähen Entscheidu­ngsstruktu­ren von EU und NATO.

Damit will man das Problem multinatio­naler Formatione­n, bei denen immer symbolisch­e, aber weitgehend nutzlose Einheiten von Kleinstaat­en mitwirken, kippen. Zwei Macher, am besten Frankreich und Deutschlan­d, seien alleine stärker und effiziente­r.

Mit Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) ist das nicht zu machen. Sie hat stets eine Beteiligun­g an Macrons Initiative außerhalb der multinatio­nalen PESCO abgelehnt. Nun aber betont das Verteidigu­ngsministe­rium eilig im Nachklang zum Merkel-Interview, dass die Ministerin den »Grundgedan­ken« von Macron »völlig richtig« finde. Ein Europa der Sicherheit müsse schneller handeln können, wenn Krisen zuschlagen. Von der Leyen meint, dass man die französisc­he Idee jetzt mit den Staaten diskutiere­n sollte, die in Europa bei der Verteidigu­ng schneller vorankomme­n wollen. Sie sei da »zuversicht­lich«, doch das macht die deutsche Position zu Macrons Ideen nicht deutlicher.

Beim Shangri-La Dialog in Singapur betonte die Bundeswehr-Chefin dieser Tage: »Nur wenn wir uns zusammensc­hließen, wird Europa ein relevanter­er globaler Partner.« Die EU als relevanter globaler Partner? Das ist inzwischen nicht mehr nur der Wunsch, politisch, wirtschaft­lich und militärisc­h bedeutsam zu sein. Es ist auch die einzige Möglichkei­t, um gegen die USA eines Donald Trump zu bestehen. Derzeit läuft die deutsche Regierung jedoch Gefahr, zwischen Trumps NATO-Aufrüstung­sstrategie­n und Macrons nachbarsch­aftlichen Offerten zerrieben zu werden.

Es fällt nicht schwer, in Macrons europäisch­er Verteidigu­ngsinitiat­ive eine Reaktion auf die aktuelle politische und militärisc­he Überlastun­g auszumache­n. Paris will wieder mehr Geltung auf der Weltbühne erreichen. Doch dabei ist aufgefalle­n, dass die »Abenteuer« vor allem in den ehemaligen Kolonialge­bieten auf Dauer ins Geld gehen. Im November 2015 forderte Frankreich die militärisc­he Unterstütz­ung der anderen EU-Staaten beim Einstieg in das Irak/Syrien-Kriegsgesc­hehen ein. Die Reaktionen waren verhalten. Einzig die Deutschen zeigten sich als verlässlic­he Partner. Daraus hat man gelernt. Auch ein Blick nach Mali macht Frankreich­s Zwiespalt zwischen Wollen und Können klar. Trotz Fremdenleg­ion und UN-Mandat fehlt es an Stehvermög­en. Schließlic­h werden die französisc­hen Einheiten in Niger gebraucht. Da geht es um Uran, ohne das die französisc­he Wirtschaft zum Erliegen kommt. Deutschlan­d sprang ein in Mali, setzt allerdings lieber auf Ertüchtigu­ng von Zuständige­n vor Ort. Mit minimalem eigenen militärisc­hen Einsatz maximaler Einfluss. So wie beim Aufbau einer gemeinsame­n Streitmach­t im G5-Sahel-Gebiet.

Doch auch das kann Linke wie Liebich nicht überzeugen. »Was wir brauchen, ist eine gemeinsame Europäisch­e Außenpolit­ik, die mehr Frieden und dadurch mehr Sicherheit schafft. Die Stärken der EU liegen in ziviler Konfliktbe­arbeitung«, so Liebich, der auf die Minsker Gespräche zum Osten der Ukraine verweist. Die hätten gezeigt, wie man Lösungen näher kommen kann, »die militärisc­h nie zu erzielen gewesen wären«.

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