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Putin zu Besuch bei Putin-Verstehern

Wien wird dem russischen Präsidente­n am Dienstag einen freundlich­en Empfang bereiten

- Von Manfred Maurer, Wien

Beim Besuch Wladimir Putins in Wien geht es auch ums Geschäft. Aus der EU-Reihe tanzen wird die österreich­ische Regierung aber nicht.

Für Österreich­s Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache von der rechten FPÖ ist es »höchste Zeit, die leidigen Sanktionen zu beenden und die politische­n und wirtschaft­lichen Beziehunge­n zu Russland zu normalisie­ren«. Die Aufhebung der Wirtschaft­ssanktione­n steht jedoch beim Besuch von Russlands Präsident Wladimir Putin am Dienstag in Wien nicht zur Debatte.

Darüber wird auch der freundlich­e Empfang nicht hinwegtäus­chen können, den Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen (ehemaliger Grünen-Politiker) und Bundeskanz­ler Sebastian Kurz von der rechtskons­ervativen ÖVP Putin bereiten werden. Auch der russische Botschafte­r in Österreich, Dmitri Ljubinski, macht sich keine Illusionen: Er hat zwar den »Eindruck, dass die bedeutende Mehrheit der Menschen in der EU und in Österreich mit der bestehende­n Sanktionss­ackgasse immer unzufriede­ner wird«. Bewegung in Richtung Aufhebung der Sanktionen erwartet er aber »nicht sofort«.

Russland ist geduldig. Dass er von Kurz kein Ausscheren aus der EU-Linie erwarten kann, weiß Putin spätestens seit Ende Februar, als er den Kanzler im Kreml empfing und klar die EU-Position zu hören bekam, derzufolge eine Aufhebung der Sanktionen von Fortschrit­ten bei der Umsetzung des Minsker Abkommens abhängt. An dieser Position Wiens hat sich nichts geändert.

Unveränder­t ist aber auch Kurz’ vor zwei Monaten in Moskau vertretene Ansicht, dass es eine Trendumkeh­r in den Beziehunge­n zu Russland und ein Ende des Blockadede­nkens brauche. Daran werden Putins Gastgeber am Dienstag auch im Hinblick auf den bevorstehe­nden EU- Ratsvorsit­z Österreich­s arbeiten, der am 1. Juli beginnt.

Österreich und Russland pflegen eine tief in sowjetisch­e Zeiten zurückreic­hende spezielle Beziehung, die für Wien allerdings auch eine neutralitä­tspolitisc­he Gratwander­ung bedeutete: Ohne die feste weltanscha­uliche Verankerun­g im Westen in Zweifel zu ziehen, war Österreich stets – auch wegen wirtschaft­licher Interessen – auf ein gutes Verhältnis mit Russland bedacht. So hat sich Österreich im Gegensatz zur Mehrheit der EU-Staaten nach dem Giftanschl­ag auf den russischen Ex-Doppelagen­ten Sergej Skripal und dessen Tochter den gegenseiti­gen Diplomaten­ausweisung­en verweigert.

Besonders freut die Russen aber die Stärkung der energiepol­itischen Bande, die auch der eigentlich­e Anlass dieses Staatsbesu­ches sind. Vor 50 Jahren hat Österreich als erstes westeuropä­isches Land mit der da- maligen Sowjetunio­n einen Gaslieferv­ertrag unterzeich­net. Bestrebung­en, die Abhängigke­it Europas vom russischen Gas zu reduzieren, hat sich Österreich inzwischen abgeschmin­kt.

Wie wichtig die Energieall­ianz wiederum auch für Russland ist, zeigt die Handelsbil­anz mit Österreich. 80 Prozent der russischen Exporterlö­se resultiere­n aus Erdgas und -öl, während österreich­ische Unternehme­n vor allem Maschinen und Anlagen sowie pharmazeut­ische Produkte liefern.

Nur 1,5 Prozent der österreich­ischen Ausfuhren gehen nach Russland, was einerseits die begrenzte Bedeutung dieses Marktes für Österreich, anderersei­ts aber auch brachliege­nde Potenziale verdeutlic­ht. Darum wird es auch am Dienstagab­end bei einem Wirtschaft­sforum mit Putin in der Wirtschaft­skammer gehen. Womit man wieder bei den Sanktionen wäre. Seit 2014 haben sich die österreich­ischen Exporte halbiert, was vor allem Lebensmitt­elproduzen­ten traf. Beim Juni-Gipfel der EU steht die Entscheidu­ng über eine weitere sechsmonat­ige Verlängeru­ng der Sanktionen an. Da es keine Fortschrit­te bei der Umsetzung des Minsker Abkommens gibt, dürfte die neuerliche Verlängeru­ng keine Frage sein.

Die Diskussion darüber könnte dennoch an Intensität zunehmen, zumal auch in Italien mit der rechtsextr­emen Lega nun ebenfalls eine Partei an der Regierung ist, deren Chef Matteo Salvini wie Österreich­s Vizekanzle­r Christian Strache nichts von den Sanktionen und »Putin für einen der besten Staatsmänn­er überhaupt« hält.

Russland ist geduldig. Dass er von Sebastian Kurz kein Ausscheren aus der EU-Linie erwarten kann, weiß Putin spätestens seit Ende Februar, als er den Kanzler im Kreml empfing und klar die EU-Position zu hören bekam.

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