Ruandas Trikotsponsoring ist entwicklungspolitisch legitim
Auch ein armes Land hat das Recht, für Tourismuswerbung Geld auszugeben
Das arme Entwicklungsland Ruanda wird Trikotsponsor beim reichen Arsenal London. Manche halten das für einen entwicklungspolitischen Skandal. Geberliebling Ruanda wehrt sich zu Recht.
Für die britische Boulevard-Zeitung »Daily Mail« war es eine Steilvorlage: Der Dreijahresvertrag des Entwicklungslandes Ruanda als Ärmelsponsor des schwerreichen Fußballklubs Arsenal London. »Die britischen Steuerzahler werden schockiert sein, wenn sie erfahren, dass ein Land, das dermaßen von Großbritannien unterstützt wird, sein Geld in einen unermesslich reichen Fußballverein pumpt. Das ist ein Eigentor für die Entwicklungshilfe«, schäumte der Abgeordnete Andrew Bridgen von den Konservativen (Tories). Die »Daily Mail« rechnete vor, dass Ruanda jährlich fast 70 Millionen Euro aus dem britischen Haushalt bekommt und nun die Hälfte für Trikotwerbung ausgibt. Und selbst bis in die Niederlande schlug der Fall Wellen: Dort forderten die Grünen von GroenLinks bereits eine Untersuchung, wie ein Land sein Geld in Fußball stecken könne, wo es doch um die Armutsbekämpfung gehen sollte. Die Niederlande gehören zu den wenigen Ländern, die es seit Jahren schaffen, mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts der Entwicklungszusammenarbeit zu widmen, wie es die UNO schon in den 70er Jahren als unverbindliche, wünschenswerte Empfehlung ausgegeben hatte.
Ob sich die Investition Ruandaslohnt, die das Ziel hat, den Tourismus nach Ruanda über den Ärmelslogan »Visit Rwanda« zu fördern, ist offen. Das Gebaren mancher englischer und niederländischer Politiker erinnert jedoch an Neokolonialismus, wie er in der Entwicklungszusammenarbeit durchaus verbreitet ist: Wer zahlt, schafft an. Ein Gutteil der Mittelzahlungen in der Entwicklungszusammenarbeit sind konditioniert, sprich: mit Lieferbindung versehen, frei nach dem Motto, wer deutsche Entwicklungshilfegelder will, muss dafür deutsche Experten einstellen und deutsche Produkte beziehen, auch wenn es bessere und kostengünstigere Alternativen auf dem Markt geben sollte.
Die Praxis der Lieferbindung wird aufrechterhalten, obwohl aus theoretischer Sicht die sogenannte Budgethilfe als Königsinstrument der Entwicklungszusammenarbeit gilt: Sie bedeutet langfristige Zusagen für einen ungebundenen Haushaltszuschuss. Damit können die Nehmerländer nach eigenen Prioritäten die Mittel verwenden, zum Beispiel, um Ärzte oder Lehrer fest anzustellen.
Selbstverständlich ist die Budgethilfe an eine Voraussetzung zu knüpfen: Das Nehmerland muss eine über-
»Die britischen Steuerzahler werden schockiert sein ... Das ist ein Eigentor für die Entwicklungshilfe.« Andrew Bridgen, Tory MP
zeugende entwicklungspolitische Agenda vorlegen, Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge wie Gesundheit und Bildung zu Prioritäten erklären. Exakt dies trifft auf Ruanda zu, was nichts daran ändert, dass das Land, was bürgerliche Menschenrechte wie Presse- und Meinungsfreiheit angeht, eine desaströse Bilanz vorzuweisen hat.
Seit 2000 amtiert Paul Kagame als gewählter ruandischer Präsident, doch schon zuvor war er als Verteidigungsminister derjenige, ohne den in Ruanda nichts ging. Kagame selbst hat immer wieder betont, dass der Konflikt zwischen Hutu und Tutsi nur vordergründig ethnisch, in Wirklichkeit aber komplexer Natur sei und bis in die Kolonialzeit zurückreiche. Ruandas Zukunft hat sich der Optimist Kagame schon vor Jahren ausgemalt: »Mehr Frieden, mehr Stabilität, mehr Demokratie und eine bessere ökonomische Entwicklung.«
Wie er das erreichen will, darüber hat Kagame sehr konkrete Vorstellungen: die Vision Ruanda 2020, ein gerade mal 28 Seiten umfassendes Strategiepapier. Mit diesem ehrgeizigen Programm strebt die Regierung an, Ruanda bis zum Jahr 2020 zu einem Land der mittleren Einkommensgruppe zu machen. Es gründet auf sechs Pfeilern, setzt zum Beispiel auf gute Regierungsführung und einen handlungsfähigen Staat, eine Wirtschaft, die auf Wissenschaft und Bildung basiert, und den Ausbau der Infrastruktur. Doch Kagame will keine Staatswirtschaft, der Privatsektor soll eine treibende Rolle spielen und auf Produktionen mit hoher Wertschöpfung und eine auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähige Landwirtschaft abzielen.
Ruanda gilt als vorbildliche Entwicklungsdiktatur. Seit Kagame nach dem Völkermord der Hutu 1994 und dem von den Tutsi-Rebellen gewonnenen Bürgerkrieg die Zügel in der Hand hält, hat sich Ruanda sozial vergleichsweise sehr gut entwickelt. Die Armut ist gesunken, die Einschulungsrate liegt bei 95 Prozent, ein verbessertes Gesundheitswesen hat die Kinder- und Müttersterblichkeit reduziert. Und trotz eines hohen Bevölkerungsdrucks gibt es bisher keine nennenswerte Auswanderung, was die Geberländer gerne haben.
Wenn stimmt, was die Chefin des staatlichen Entwicklungsbüros, Clare Akamanzi, dem Sender BBC sagte, dass das Geld für die Werbung aus direkten Tourismuseinnahmen stamme und nicht aus Entwicklungshilfe, wie in britischen Zeitungen zu lesen war, dann ist jede Kritik daran inakzeptabel. Ruanda hat das Recht, dort zu investieren, wo es das für sinnvoll hält. Umso mehr, wenn Akamanzis Aussagen zutreffen sollten, ihr Land habe seine Abhängigkeit von Auslandshilfe stark reduziert. Vor zehn Jahren habe sie 80 Prozent des Staatshaushalts ausgemacht, heute seien es lediglich 17 Prozent. Den Beweis des Gegenteils haben die »Daily Mail« und andere nicht angetreten.