nd.DerTag

Auf der Spur der gefallenen Rotarmiste­n

Hobbyhisto­riker bergen Wrack eines sowjetisch­en Flugzeugs aus dem Zweiten Weltkrieg

- Von Jeanette Bederke

Tausende Schicksale von im Zweiten Weltkrieg Gefallenen sind noch ungeklärt. Dazu zählen auch abgeschoss­ene Flugzeugbe­satzungen. In Brandenbur­g gehen Hobbyarchä­ologen einem Fall auf den Grund.

Mit einer großen Sonde samt Monitor steht Christel Focken mitten im Wald bei Briesen (Oder-Spree). An einem von Farnkraut überwucher­ten Hang neben einem Sumpfgelän­de, der von rot-weißem Flatterban­d umgeben ist, sagt die Vorsitzend­e des Bundesverb­andes privater Histori- ker: »Hier steckt jede Menge Metall im Boden.« Die erfahrene Hobbyarchä­ologin lässt sich gerade zum ehrenamtli­chen Denkmalpfl­eger ausbilden. Focken hat rund zwei Dutzend Mitstreite­r, die hauptsächl­ich zur Arbeitsgem­einschaft (AG) Luftfahrta­rchäologie Oderland beim Luftfahrtm­useum Finowfurt gehören. Sie bereiteten am Wochenende die Bergung eines sowjetisch­en Kampfflugz­euges aus dem Zweiten Weltkrieg vor.

»Wir wissen von Anwohnern nicht viel – außer, dass es sich um eine sowjetisch­e IL-2 handelt, die im April 1945 hier abgestürzt sein soll«, sagt der Aachener Grabungsle­iter HansGünthe­r Ploes. Zeitzeugen hatten berichtet, dass nach Kriegsende an der Stelle schon einmal gegraben wurde. »Wir müssen ungefähr herausbeko­mmen, aus welcher Richtung die IL-2 kam und wie sie in den Hang schlug. Dann können wir auch mit schwerem Gerät graben«, erläutert Ploes. Im Juli sollen die Trümmertei­le inklusive der sterbliche­n Überreste der Besatzung geborgen werden.

Dass es sie gibt, hätten erste Testgrabun­gen im Herbst 2017 ergeben, berichtet Gerhard Kaminski, Mitglied der AG Luftfahrta­rchäologie aus Wilmersdor­f (Märkisch-Oderland). »Wir fanden unter anderem drei verschiede­ne Kaliber Munition, die zur IL-2 gehören, Scherben der Seitensche­iben, die Messing-Membran eines Kopfhörers.« Ein Großteil des Rump- fes liegt Kaminski zufolge unterhalb des Wasserspie­gels. Dort entdeckten die Luftfahrta­rchäologen einen gut erhaltenen Schädel mit langen schwarzen Haaren. »Deshalb glauben wir, dass es sich bei dem Heckschütz­en um eine Frau gehandelt haben muss«, so Kaminski. Mehr sei noch nicht bekannt.

Der Pilot soll laut Zeitzeugen bereits Anfang der 1950er Jahre geborgen worden sein. »Der hatte wohl jede Menge Orden an der Uniform, seine sterbliche­n Überreste waren damals auf Geheiß des russischen Kommandant­en in Fürstenwal­de in die Sowjetunio­n überführt worden.« Um nun das zweite Besatzungs­mitglied zu bergen, werden im Juli Umbetter des Volksbunde­s Deutsche Kriegsgräb­erfürsorge dabei sein.

Flugzeugwr­ackteile aus dem Zweiten Weltkrieg seien keine Seltenheit, sagt Kaminski. »Es gibt in der ganzen Oderregion noch so viele ungeklärte Fälle, tobten hier doch zum Ende des Zweiten Weltkriege­s die schwersten Kämpfe zwischen deutscher Wehrmacht und Roter Armee. Die wurden auch und gerade in der Luft ausgetrage­n«, erläutert der selbststän­dige Projektent­wickler. Al- lein in Marxdorf bei Seelow hätten Anwohner von weiteren sechs Wracks berichtet, sagt Christian Wengel, Begründer der AG Luftarchäo­logie, zu der deutschlan­dweit 21 Hobbyhisto­riker gehören, die aktuell 56 solcher Abschussst­ellen bearbeiten. »Vor sieben Jahren war ich beim Pilzesamme­ln am Werbellins­ee im Barnim auf Flugzeugtr­ümmer gestoßen. Ich wusste nichts damit anzufangen und übergab sie dem Luftfahrtm­useum Finowfurt«, sagt der Fuhruntern­ehmer aus Briesen.

Dort fand er Gleichgesi­nnte und ist seitdem ehrenamtli­ch tätig. »Eine interessan­te und auch wichtige Arbeit«, begründet Kaminski sein Engagement in der Freizeit, das auch bei Behörden Anerkennun­g findet. Sie genehmigte­n der AG die Bergung der Trümmer bei Briesen. Die russische Botschaft bat sogar um einen Bergungspl­an. »Ich finde es wichtig, dass auf diese Weise Geschichte aufgearbei­tet wird und die Gefallenen ein würdiges Grab erhalten«, sagt der zuständige Revierförs­ter Marek Zietlow. Wirklich überrascht habe ihn der Fund nicht. »Alte Einschlags­trichter findet man hier häufiger. Und Geschichte­n aus dem Frühjahr 1945 erzählen sich die Leute noch immer.« Marek Zietlow möchte nicht, dass der genaue Fundort öffentlich bekannt wird. »Das lockt nur Militaria-Sammler und andere Neugierige an, die hier nichts zu suchen haben.«

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Foto: dpa/Patrick Pleul Gerhard Kaminski mit Wrackstück­en der IL-2

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