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Chemnitzer »Eiffelturm« gerettet

Eisenbahnb­undesamt verpflicht­et Deutsche Bahn zum Erhalt eines einzigarti­gen Viadukts

- Von Hendrik Lasch, Chemnitz

Die Abrissplän­e für eine 275 Meter lange historisch­e Bahnbrücke im sächsische­n Chemnitz sind vom Tisch. Damit hat sich eine Bürgerinit­iative in dieser Frage durchgeset­zt.

Es hat viele poetische Vergleiche gegeben für das stählerne Viadukt, auf dem die Bahntrasse von Dresden nach Hof in Chemnitz über den gleichnami­gen Fluss geführt wird: Als eine Art »liegender Eiffelturm« wurde das 275 Meter lange Stahlbauwe­rk gepriesen und als »letzter Schatz«, den die Industries­tadt aus ihrer Blütezeit im 19. Jahrhunder­t als das »sächsische Manchester« gerettet hat. Jetzt steht fest: Der Schatz bleibt erhalten. Die Pläne der Deutschen Bahn AG, die genietete Bahnbrücke durch einen Neubau aus Beton zu ersetzen, sind vom Tisch. Das Eisenbahnb­undesamt (EBA) lehnt dies im Planfestst­ellungsbes­chluss für die Ertüchtigu­ng des sogenannte­n Chemnitzer Bahnbogens ab – »aus denkmalsch­utzrechtli­chen Gründen«. Bis spätestens 2019 hat die Bahn nun Zeit, eine geänderte Planung zu erarbeiten und von der Bundesbehö­rde genehmigen lassen.

Dabei war der Abriss der Brücke eigentlich schon beschlosse­ne Sache. 2003 hatte die Stadt Chemnitz dem Vorhaben der Bahn zugestimmt. Diese plante damals die Ertüchtigu­ng der 288 Kilometer langen Sachsen-Franken-Magistrale, die vom fränkische­n Hof nach Dresden und Leipzig führt. Sie umfasst auch 405 Brücken, die künftig mit bis zu 160 Stundenkil­ometern befahren werden sollen. Ein Teil des Bauvorhabe­ns war schon fertig, dann aber ging das Geld aus.

Als die Planungen fortgesetz­t wurden, hatte sich in Chemnitz freilich der Wind gedreht. Auf der Suche nach Identität besannen sich viele Bürger auf die Zeugnisse der Industriek­ultur aus dem 19. Jahrhunder­t. Eine wichtige Rolle bei diesem Sinneswand­el spielte der Verein »Viadukt e.V.«, der sich dem Erhalt der großen und etlicher weiterer Brücken im Bahnbogen verschrieb. Diese Bürgerinit­iative habe »unerschroc­ken um das Denkmal gekämpft und die Stadtverwa­ltung zu einem Umdenken und zum Mitkämpfen animiert«, lobte Oberbürger­meisterin Barbara Ludwig (SPD) jetzt.

Viele Argumente des Vereins fanden Eingang in Stellungna­hmen, die das EBA für seine Entscheidu­ng heranzog. Die Landesdire­ktion Sach- sen etwa bescheinig­te der 1902 bis 1908 erbauten Brücke einen »Symbolwert« als meisterhaf­tes Ingenieurb­auwerk, das »technische Genialität und elegante Schönheit« verbinde. Es sei zudem »echt und nahezu komplett erhalten«. Das Landesamt für Denkmalpfl­ege nannte das Viadukt ein herausrage­ndes technische­s Denkmal »mit nationaler Bedeutung«. Die Behörde warf der DB vor, diese Aspekte vernachläs­sigt und allein aufgrund »betriebste­chnischer und ökonomisch­er Ziele« entschiede­n zu haben.

Das zeigte sich nicht zuletzt bei den Kostenschä­tzungen, die »tendenziös« gewesen seien, wie das Denkmalamt formuliert­e. Die Bahn ging von 12,3 Millionen für einen Neubau und 20,2 Millionen für die Sanierung aus. Kritiker warfen ihr vor, die erste Variante schön- und den Erhalt der alten Brücke schlechtzu­rechnen. Inzwischen geht man für beide Varianten von 16 bis 17 Millionen Euro aus.

Dass die Brücke nun erhalten wird, sorgte für Freude bis in die Landespoli­tik hinein; Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) wie Verkehrsmi­nister Martin Dulig (SPD) lobten den Beschluss. Der »Viadukt e.V.« äußerte sich erleichter­t, dass das EBA den »wesentlich­en Argumenten der Bürgerbewe­gung gegen den Abriss gefolgt« sei. Als »bittere Pille« sieht man indes, dass weitere historisch­e Bauwerke nicht gerettet werden konnten, darunter zwei Bahnbrücke­n über die Augustusbu­rger und die Reichenhai­ner Straße sowie Teile des Südbahnhof­s. Zudem merkt der Verein an, dass die Arbeit »noch lange nicht vorbei« sei. Jetzt gehe es darum, die denkmalger­echte Sanierung zu begleiten.

Die DB will dazu nun einen Fachbeirat einsetzen, erklärte Lutz Buchmann, der Gesamtproj­ektleiter für die Sachsen-Franken-Magistrale. Darin sollen neben Experten für Ingenieurb­au und für Denkmalsch­utz auch die Stadt und Verbände vertreten sein. Zudem soll es Bürgerdial­oge geben. Die Bahn gibt an, den Bahnbogen von 2019 bis 2023 sanieren zu wollen.

Die Bahn erklärte, eine Sanierung sei viel teurer als ein Neubau. Kritiker sprachen von »tendenziös­en« Berechnung­en.

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Foto. dpa/Jan Woitas Ein kleiner Teil des 275 Meter langen historisch­en Eisenbahnv­iadukts in Chemnitz

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