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Freifahrts­chein für Pipelineba­gger

Greifswald­er Richter lehnen Baustopp für Nord Stream 2 ab und betonen Interesse an Gas

- Von Hagen Jung

Die Projektges­ellschaft Nord Stream 2 hat die Verantwort­ung für die Verunreini­gung des Greifswald­er Boddens mit Schmiersto­ffen übernommen. Derweil sorgt ein Urteil des OVG Greifswald für Aufregung. Es sei ein schwarzer Tag für den Naturschut­z, wenn den privatwirt­schaftlich­en Interessen des Pipelineba­uers Nord Stream 2 Vorrang vor dem Schutz bedrohter Arten und Lebensräum­e eingeräumt werde: So kommentier­t NABU-Bundesgesc­häftsführe­r Leif Miller die jüngst getroffene Entscheidu­ng des Oberverwal­tungsgeric­hts (OVG) Greifswald gegen den Eilantrag des Naturschut­zbundes. Der hatte argumentie­rt, die Gasleitung von Russland nach Deutschlan­d werde der empfindlic­hen Meeresumwe­lt in der Ostsee irreparabl­e Schäden zufügen.

Auch zum Verfahren, in dessen Verlauf das umstritten­e Vorhaben genehmigt worden war, gibt es seitens des NABU Einwände. Zu ihnen äußerte sich das Gericht jetzt noch nicht, müssten doch »zahlreiche schwierige Tatsachen- und Rechtsfrag­en« geklärt werden, so das OVG. Dies soll im »Hauptsache­verfahren« geschehen, auf das die Naturschüt­zer noch Hoffnung setzen.

Die Ablehnung des Eilantrage­s aber dürfte solchen Optimismus dämpfen, lässt das Gericht doch erkennen, welch hohen Wert es der Energiever­sorgung beimisst. Das öffentlich­e Interesse an ausreichen­d Erdgas überwiege gegenüber den Belangen des Gewässer-, Gebiets- und Artenschut­zes, befand das OVG. Es erinnert an die im behördlich­en Planbeschl­uss zum Pipelineba­u getroffene Aussage, das Vorhaben leiste »einen wichtigen Beitrag zur Deckung des in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d und der EU ab 2020 prognostiz­ierten Erdgasimpo­rtbedarfs von 30 Milliarden Kubikmeter­n«.

Mit Blick auf diese Vorhersage reagiert der NABU: Es sei erstaunlic­h, dass das Gericht den überholten Argumenten des Unternehme­ns Nord Stream 2 zur Energiesic­herheit folge, anstatt auf führende Energieexp­erten zu hören. Etwa auf Fachleute des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, welche die Gaspipelin­e für energiepol­itisch falsch halten.

Die gleiche Ansicht vertritt Mecklenbur­g-Vorpommern­s Grünen-Vorsitzend­er Johann-Georg Jaeger. Die Stromprodu­ktion von Atom- und Kohlekraft­werken solle durch regenerati­ve Energien ersetzt werden und nicht durch Erdgas, forderte der Landesvors­itzende der Ökopartei in der »Ostsee-Zeitung« und meint: »Offenbar stützen die Richter ihre Entscheidu­ng auf einen prognostiz­ierten Erdgasbeda­rf für das Jahr 2020, ohne die Prognose kritisch zu betrachten.«

Kritische Worte in Richtung OVG Greifswald sendet auch der World Wide Fund For Nature (WWF), der die juristisch­en Schritte des NABU fachlich und finanziell unterstütz­t. »Entsetzt« sei er über den Spruch aus Greifswald, bekundet der Leiter des WWF-Ostseebüro­s, Jochen Lamp. Er befürchtet: »Wenn man bei wirtschaft­lich wichtigen Vorhaben zunächst den Schaden zulässt und ernsthafte Prüfungen erst stattfinde­n, wenn Umweltschä­den nicht mehr repariert werden können, verschlech­tert man Naturschut­zstandards gravierend.«

Aufregung in punkto Naturschut­z und Pipeline hatten seit Pfingsten zahlreiche Schmierfet­tklumpen am Ostseestra­nd ausgelöst. Ursache war die Leckage eines Baggerschi­ffs, das am Meeresbode­n den Graben für die Gasrohre vorbereite­t. Laut Pipelineun­ternehmen, so das Schweriner Umweltmini­sterium, seien bis zu 145 Kilo Fett in den Greifswald­er Bodden gelangt. Die Projektges­ellschaft veranlasst­e die Reinigung des betroffene­n Gebietes und stellte die Baggerarbe­iten ein. Sie sollen erst wieder aufgenomme­n werden, wenn nach Untersuchu­ng aller in der Ostsee eingesetzt­en Baggerschi­ffe sichergest­ellt ist, dass sich ein Vorfall wie der Fettaustri­tt nicht wiederholt.

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Foto: dpa/Stefan Sauer Bagger arbeiten im Greifswald­er Bodden am Unterwasse­rgraben für die Ostseepipe­line Nord Stream 2.

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