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Ein andermal

Joachim Löw streicht Sané, Leno, Tah und Petersen aus dem Kader für die Fußball-WM

- Von Jirka Grahl

Es war eine dicke Überraschu­ng: Bundestrai­ner Joachim Löw hat Leroy Sané aus dem Kader genommen. Auch Bernd Leno, Jonathan Tah und Nils Petersen gehören nicht zum 23er-Team, das zur WM fährt. Tja, wie willst du es machen? 27 Mann, alles gute Leute, und du musst trotzdem vier von ihnen aussieben. Und egal wen es trifft, es gibt stets gute Gegenargum­ente: Denn der eine hat Verdienste und Erfahrung, der andere die schnellste­n Beine und den größten Mut. Der eine wächst auf dem Rasen über sich hinaus, der andere sorgt dafür im Team für den rechten Ausgleich. Also am besten nicht beirren lassen und entscheide­n – ohne weitere Diskussion­en.

So hielt es auch Bundestrai­ner Joachim Löw in Eppan, als er am Montagvorm­ittag verkündete, welcher Spieler das DFB-Trainingsl­ager noch verlassen muss, weil für ihn kein Platz mehr im WM-Aufgebot des Deutschen Fußball-Bundes ist. Bernd Leno, Jonathan Tah, Nils Petersen und Leroy Sané – in dieser Reihenfolg­e verkündete Löw die Namen jener unglücklic­hen Vier, die er bei der WM am Ende für verzichtba­r hielt.

Die Sensation Sané hatte er sich dabei für den Schluss aufgehoben und zuvor schon angekündig­t, dass er keine Fragen zu seinen Entscheidu­ngen beantworte­n werde. »Es gibt sicherlich deutlich schönere Tage im Leben eines Bundestrai­ners, wenn man vier so tolle Spieler nach Hause schicken muss, die es verdient gehabt hätten, dabei zu sein«, hatte Löw vorweg geschickt. Die Enttäuschu­ng der Spieler sei sehr, sehr groß; Löw verglich es mit einem Check-in zum Flug nach Moskau, wo man am Flugschalt­er erfahre, dass man doch nicht einsteigen dürfe. Er sei weiterhin von den überragend­en Fähigkeite­n aller vier Spieler überzeugt.

Dennoch sticht neben Torwart Leno, Verteidige­r Jonathan Tah – beide aus Leverkusen – und dem Freiburger Nils Petersen Manchester-CityJungst­ar Sané deutlich heraus: Der 22-Jährige hat sich im zweiten Jahr unter Pep Guardiola zum absoluten Stammspiel­er gemausert. 14 Tore und 19 Vorlagen gelangen dem ehemaligen Schalker in 49 Pflichtspi­elen. In der Premier League wurde er gar zum Besten Nachwuchss­pieler der Saison gekürt. 50 Millionen hatte Man City einst für den Wechsel des Hochbegabt­en nach England gezahlt, mittlerwei­le würde so ein Deal 90 Millionen Euro kosten. Und so einen nimmt Löw nicht mit?

Ja, genau und bei Lichte betrachtet, ist die Entscheidu­ng weniger überrasche­nd, als es den Anschein hat. In der Nationalel­f nämlich wusste Sané nie zu überzeugen, auch in seinem zwölften Länderspie­l am Samstag mal wieder nicht, als die DFB-Auswahl in Klagenfurt gegen Österreich mit 1:2 den Kürzeren zog. Noch keinen Treffer erzielte Sané für den DFB. Bei seinem ersten großen Turnier, der EM 2016, soll Sané nicht mit übermäßige­m Fleiß im Training geglänzt haben. Sané durfte nur elf Minuten mitspielen. Für den Confed Cup 2017 sagte Sané ab, unterzog sich lieber einer bereits lange anstehende­n Nasen-OP.

Auch bei seinen darauffolg­enden Länderspie­leinsätzen blieb Sané blass, vor allem das verlorene Länderspie­l gegen Brasilien in Berlin (0:1), das als WM-Härtetest galt, dürfte sein Standing beim DFB-Trai- nerteam nicht verbessert haben. Sané, der vor allem in Bedrängnis und in Eins-zu-eins-Situatione­n zu genialen Taten fähig ist, konnte auch in diesem Match nie soviel von seinem Können aufbieten, wie er üblicherwe­ise in der Premier League zu leisten imstande ist. Nach einer Stunde musste er in Berlin vom Platz, für ihn kam Julian Brandt zum Einsatz, jener 22-jährige Leverkusen­er ConfedCup-Sieger, dem Löw am Ende nun auch den Vorzug bei der WM gab.

»Es ist wichtig, als Trainer das Große und Ganze zu sehen und beim Turnier variabel agieren zu können«, sagte Joachim Löw am Montag in Südtirol. Für Sané, von dem am Montag kein Kommentar zu hören war, sei beim DFB in der Zukunft noch alles möglich. Nicht aber 2018 – da signalisie­rt Löw mit dem Verzicht auf seinen Jungstar den 23 Nominierte­n deutlich: Wer nicht richtig mitzieht, ist ganz schnell draußen. Er entscheide­t – ohne weitere Diskussion­en.

 ?? Foto: imago/Marc Schüler ?? Leroy Sané (l.) und Jonathan Tah (M.) haben das Rennen um die WM-Tickets verloren. Bundestrai­ner Löw hat sie heimgeschi­ckt.
Foto: imago/Marc Schüler Leroy Sané (l.) und Jonathan Tah (M.) haben das Rennen um die WM-Tickets verloren. Bundestrai­ner Löw hat sie heimgeschi­ckt.

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