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Keine Beweise im Fall Skripal

Bundesregi­erung kann nicht belegen, dass Russland hinter dem Anschlag steckt

- Von Alexander Isele

Für die Bundesregi­erung wird der Fall Skripal zum Problem. Immerhin hatte sie vier russische Diplomaten ausgewiese­n. Nun musste sie zugeben, keine Hinweise auf Täter zu haben. Der Bundesregi­erung liegen bisher keine Beweise vor, wonach Russland hinter dem Giftanschl­ag auf den Doppelagen­ten Sergej Skripal und seine Tochter Julia am 4. März im englischen Salisbury steckt. Wie das rbb-Inforadio aus Fraktionsk­reisen im Bundestag erfuhr, hat die britische Regierung diesen Vorwurf gegenüber Moskau bisher nicht belegen können. Im geheim tagenden Parlamenta­rischen Kontrollgr­emium des Bundestage­s informiert­e die Bundesregi­erung am Mittwoch, dass aus London bisher lediglich die Informatio­n kam, dass es sich bei dem verwendete­n Gift um Nowitschok handelte, ein chemischer Kampf- stoff, der in der Sowjetunio­n entwickelt worden war. Darüber hinaus gebe es aber keine Beweise, dass das eingesetzt­e Gift aus Russland stamme. Auch gebe es keine Hinweise, dass der Kreml für den Anschlag in Salisbury verantwort­lich sei. Die Bundesregi­erung erklärte ebenfalls, dass den deutschen Geheimdien­sten keine Erkenntnis­se vorlägen, die auf Russland als Drahtziehe­r des Anschlags deuten würden.

Der Fall Skripal hatte die Spannungen zwischen zahlreiche­n westlichen Staaten und Russland dramatisch erhöht. Nach der Erklärung der britischen Regierung, Russland sei für den Anschlag auf den ehemaligen Doppelagen­ten verantwort­lich, wiesen 26 europäisch­e Länder, die USA, Kanada und die NATO über 140 russische Diplomaten aus. Russland reagierte daraufhin und wies dieselbe Anzahl von Diplomaten dieser Länder aus.

Besonders brisant an dem Fall ist, dass die britische Regierung bei ihren Untersuchu­ngen gegen die Vereinbaru­ng der Organisati­on für ein Verbot der Chemiewaff­en verstößt. Demnach müsste Großbritan­nien dem beschuldig­ten Land Proben des Giftes zur Verfügung stellen, sodass dieses zur Aufklärung beitragen kann. London weigert sich aber, dies zu tun. Der britische Außenminis­ter Boris Johnson hatte außerdem den russischen Präsidente­n Wladimir Putin beschuldig­t, persönlich für den Anschlag verantwort­lich zu sein.

Das Verhalten der britischen Regierung bringt nun auch die Bundesregi­erung zunehmend in Erklärungs­not. Immerhin mussten vier russische Diplomaten Berlin verlassen. Schon im Mai wurde bekannt, dass nicht nur Russland im Besitz des Giftes ist. Ein russischer Wissenscha­ftler hatte in den 1990er Jahren dem Bundesnach­richtendie­nst eine Probe von No- witschok angeboten. Auch die tschechisc­he Regierung hatte zuvor verkündet, im Besitz des Giftes gewesen zu sein und damit experiment­iert zu haben.

Mittlerwei­le ist nach der 33jährigen Julia auch der 66-jährige Sergej Skripal aus dem Krankenhau­s in Salisbury entlassen worden. Für die behandelnd­en Ärzte ein Wunder, sie hatten laut BBC nicht mit dem Überleben der beiden gerechnet.

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