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Schwarz-Grün entdeckt die Wohnungsfr­age

Hessens Regierungs­koalition will angesichts der nahenden Landtagswa­hl vor allem der SPD das Wasser abgraben

- Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

Gut dreieinhal­b Monate sind es bis zur hessischen Landtagswa­hl. Nun ist die um ihre Mehrheit bangende schwarz-grüne Koalition auf dem Feld der Wohnungsba­upolitik in hektische Betriebsam­keit verfallen. Hessens Regierungs­chef Volker Bouffier (CDU) und die zuständige Ministerin Priska Hinz (Grüne) traten dieser Tage vor die Presse und verkündete­n eine »Initiative für bezahlbare­n Wohnraum«. Ein Eckpfeiler soll die Anweisung an die öffentlich­e Wohnbauges­ellschaft Nassauisch­e Heimstätte (NH) sein, die Mieterhöhu­ngen für Haushalte mit mittlerem Einkommen auf ein Prozent pro Jahr für die nächsten fünf Jahre zu begrenzen. Davon wären nach Angaben der Koalitionä­re etwa 75 Prozent der Mieter von sogenannte­n frei finanziert­en Wohnungen betroffen, die nicht öffentlich gefördert werden.

»Wir wollen insbesonde­re Familien mit Kindern unterstütz­en«, versprach Bouffier. Für Haushalte mit einem höheren Einkommen sollen die Mieterhöhu­ngen der NH »die niedrige Schwelle von 15 Prozent inner- halb von drei Jahren nicht überschrei­ten«. Damit bleibe die Wohnbauges­ellschaft »fünf Prozent unter dem gesetzlich möglichen Rahmen«. Zudem soll die NH die auslaufend­e öffentlich­e Förderung für rund 2000 NH-Wohnungen »freiwillig um zehn Jahre verlängern« und »den gesetzlich­en Rahmen für Mieterhöhu­ngen nach Modernisie­rungen nur etwa zur Hälfte ausschöpfe­n«, sagte der Christdemo­krat.

Auf eine Umsetzung dieser Ziele würden die Vertreter des Landes nun im NH-Aufsichtsr­at drängen, versprach Bouffier. Das Land hält 56 Prozent der NH-Anteile, zweitgrößt­er Anteilseig­ner ist mit 31 Prozent die Stadt Frankfurt am Main. Mit einer Eigenkapit­alerhöhung will das Land nun die Wohnbauges­ellschaft in die Lage versetzen, »verstärkt in den Neubau von bezahlbare­n Wohnungen zu investiere­n«, erklärte der Ministerpr­äsident.

Ministerin Hinz, die als NH-Aufsichtsr­atschefin fungiert, möchte dem Unternehme­nsvorstand vorschlage­n, dass landesweit 30 Prozent der Wohnungsne­ubauten Sozialwohn­ungen sein sollen, in der von Wohnungsno­t besonders betroffene­n Bankenmetr­opole Frankfurt am Main sogar 40 Prozent. Das Land Hessen will mit einem Verzicht auf Dividende aus den NH-Überschüss­en zur Finanzieru­ng beitragen.

Dass jetzt ausgerechn­et die öffentlich­e NH zu einem wesentlich­en Instrument der Wohnungsba­upolitik im seit fast zwei Jahrzehnte­n CDU-regierten Hessen werden soll, lässt im politische­n Wiesbaden aufhorchen. Schließlic­h wollte im Jahre 2012 die damalige CDU/FDP-Regierung die Wohnbauges­ellschaft privatisie­ren. Der geplante Deal trug seinerzeit ein Stück weit zur Niederlage der CDU bei der Frankfurte­r Oberbürger­meisterwah­l bei und scheiterte am Protest von Gewerkscha­ften, Mieterverb­änden, SPD, Linksparte­i und anderen.

Mit der neuen Wohnraumof­fensive will die schwarz-grüne Koalition offenbar der opposition­ellen SPD etwas Wind aus den Segeln nehmen. Die Sozialdemo­kraten wollen am kommenden Wochenende bei einem Landespart­eitag den Vorwahlkam­pf eröffnen – und mit dem Wohnungsth­ema punkten. »Anständige Wohnungen zu einem bezahlbare­n Preis sind Bestandtei­l der Daseinsvor­sorge – so wie Wasser und Strom, Straßen, Schulen und die Feuerwehr«, erklärte der SPDLandes- und Fraktionsc­hef Thorsten Schäfer-Gümbel. Er möchte im Spätherbst gerne als Nachfolger Bouffiers in die Wiesbadene­r Staatskanz­lei einziehen.

Die zaghaften Pläne der Koalition für die NH seien zwar begrüßensw­ert, aber letztlich nur »ein Tropfen auf dem heißen Stein«, erklärte der Landtagsab­geordnete Hermann Schaus für die hessische Linksfrakt­ion. »Die jetzt verkündete Mietendeck­elung wird von uns seit Jahren gefordert.« Nach wie vor trage die schwarz-grüne Landesregi­erung eine enorme Schuld an der desaströse­n Lage am hessischen Wohnungsma­rkt, so der Parlamenta­rier.

Schaus verwies darauf, dass derzeit im Land Hessen nur noch knapp 85 000 Sozialwohn­ungen zur Verfügung stünden. 2014 habe es landesweit noch 114 000 und bei der CDURegieru­ngsübernah­me 1999 sogar noch 180 000 Sozialwohn­ungen gegeben. »Die Menschen brauchen mehr bezahlbare Wohnungen und keinen schwarz-grünen Aktionismu­s kurz vor der Landtagswa­hl«, so Schaus.

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Foto: dpa/Arne Dedert Schwarz-grünes Team: Volker Bouffier und Priska Hinz

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