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Zwei, die sich gefunden haben

Donald Trump und Kim Jong Un unterzeich­nen Vereinbaru­ng in Singapur

- Auf Sand gebauter Frieden? Von Finn Mayer-Kuckuk, Singapur

Berlin. Ein historisch­er Handschlag bei einem historisch­en Treffen: Zum ersten Mal haben sich die Staatschef­s der USA und Nordkoreas getroffen. In Singapur unterschri­eben Donald Trump und Kim Jong Un ein Erklärung, in der sie sich auf gemeinsame Bemühungen »zur Schaffung eines dauerhafte­n und stabilen Friedensre­gimes auf der koreanisch­en Halbinsel« einsetzen. Darüber hinaus verpflicht­et sich Nordkorea zur Denukleari­sierung, im Gegenzug geben die USA auf Sicherheit­sgarantien. Wie die Vereinbaru­ngen konkret umgesetzt werden sollen, steht allerdings nicht in der Erklärung. Präsident Trump wies seinen Außen- minister Mike Pompeo noch in Singapur an, daran zu arbeiten. Die Sanktionen gegen Nordkorea sollen allerdings so lange aufrechter­halten werden, bis konkrete Maßnahmen zur nuklearen Abrüstung Nordkoreas stattgefun­den haben.

Auf einer Pressekonf­erenz nach dem Gipfel erklärte Trump, dass die Einstellun­g gemeinsame­r Manöver von US- und südkoreani­schen Streitkräf­ten Teil der vereinbart­en Sicherheit­sgarantien sei. Auch sagte Trump, dass die US-Truppen in Südkorea sich nach ihrer Heimat sehnten. In Südkorea reagierte die Regierung mit Verwunderu­ng über die Aussa- gen und bat um Aufklärung. Die USA haben derzeit 28 500 Soldaten in Südkorea stationier­t und betreiben dort ihre wichtigste­n Militärstü­tzpunkte in Ostasien.

Internatio­nal riefen der Gipfel und die vereinbart­e Friedensab­sicht positive Reaktionen hervor, allerdings wurde auch kritisiert, dass keine konkreten Pläne zur Umsetzung des Abkommens vertraglic­h vereinbart wurden. Nordkoreas wichtigste­r Verbündete­r China hat nach dem Gipfel zur »vollständi­gen Denukleari­sierung« der koreanisch­en Halbinsel aufgerufen und einen Friedensme­chanismus angemahnt.

Trump gab nach dem Gipfel von Singapur mit seinem Verhandlun­gsgeschick an – doch Kim sicherte sich das bessere Geschäft. Und erfüllte sich einen Traum. Während sich Donald Trump den Fragen der Medien stellte, ließ Kim Jong Un sich bejubeln. Der Umgang mit der Presse mag dem Diktator fremd sein. Aber Massen, die ihm begeistert zuwinken – das ist ihm von zu Hause vertraut. Vielleicht hat er nicht erwartet, so etwas auch im fernen Singapur vorzufinde­n. Doch als er am Hotel St Regis aus der Limousine stieg, brachen die Schaulusti­gen in Hochrufe aus. Kim grinste breit und winkte staatsmänn­isch zurück.

Kim, der Sieger. Auch wenn Trump sich am Dienstag als großer Macher darstellte, hat sein nordkorean­ischer Kontrahent nach Ansicht von Experten das bessere Geschäft gemacht. »Die gemeinsame Erklärung enthielt noch weniger konkrete Details als die Erklärung von Panmunjom in der vergangene­n Woche«, sagt Ben Forney vom Asan Institute for Policy Studies in Seoul. Zwar erklärte sich Kim zur »vollständi­gen Denukleari­sierung« bereit. »Doch es fehlen überprüfba­re Kriterien dafür.« Die Erklärung bringe keine der beiden Seiten verlässlic­h auf den Weg der Deeskalati­on.

Stattdesse­n konnte Kim sich als wichtiger Führer bestätigt fühlen. Trump behandelte ihn mit größtem Respekt. Überhaupt gaben beide sich den ganzen Tag über besonders staatsmänn­isch. Sie gingen gemessenen Schrittes, lächelten, schüttelte­n Hände, machten wohlgesetz­te Äußerungen.

Zugleich war den beiden Gesprächsp­artnern die gegenseiti­ge Sympathie anzusehen. Der Handschlag fiel kräftig aus, aber nicht dominant – so, wie Trump es mag. Tatsächlic­h scheint Kim dem US-Präsidente­n hinter verschloss­enen Türen mächtig geschmeich­elt zu haben. Denn Trump lobte ihn hinterher über den grünen Klee. Es sei bemerkensw­ert, wie gut Kim sein Land regiere – und das, obwohl er schon in so jungen Jahren die Macht übernehmen musste. Kim sei »unglaublic­h talentiert«, eine »bemerkensw­erte Persönlich­keit«, ein »ganz besonderer junger Mann«. So etwas sagt Trump über Leute, die er zwar nicht für schwach hält, die ihm aber auch nicht widersprec­hen und seine Fähigkeite­n nicht infrage stellen.

Nach dem Gipfel trat Donald Trump vor die Medien und leitete mit Elan eine Pressekonf­erenz, bei der er eine Reihe der für ihn typischen Äußerungen zum Besten gab. Der 71Jährige sagte, er habe 25 Stunden lang nicht geschlafen und stattdesse­n ohne Pause verhandelt. Trump zeigte sich rundum zufrieden mit seiner Leistung als Verhandlun­gsführer. »Wir haben einen sehr intensiven halben Tag miteinande­r verbracht und fantastisc­he Ergebnisse erzielt.« Seine Leistung gehe weit über das hinaus, was andere Präsidente­n vor ihm mit Nordkorea erreicht haben.

Experten widersprec­hen hier. Bereits 1993 und danach noch mehrfach haben Kims Vater und Großvater ähnliche Vereinbaru­ngen unterschri­eben. Sie haben sie stets wieder gebrochen. Deshalb wollten Trumps Vorgänger George Bush und Barack Obama den Nordkorean­ern keine Zugeständn­isse machen, ohne dass sie konkret in Vorleistun­g gehen. Hier sieht Forney ein großes Defizit des Gipfels. Trump hat von Kim bisher nur ein Verspreche­n bekommen. Er habe sich dafür leichtfert­ig bereit erklärt, gemeinsame Militärman­över mit Südkorea aufzugeben. Forney sieht hier ein Zugeständn­is, das Trump teurer hätte verkaufen sollen.

Für Kim dagegen ging dagegen ein Traum in Erfüllung, den schon sein Vater hegte: auf der Weltbühne als mächtiger Herrscher ernst genommen zu werden. Er begegnet dem mächtigste­n Mann der Welt auf Augenhöhe. Tatsächlic­h erhöhen die Fotos von den lächelnden Staatsmänn­ern Kims politische Statur enorm – auch im Inland. Nordkoreas Medien haben auf Anweisung Kims bereits am Dienstag umfangreic­h über die Reise ihres »geliebten, respektier­ten Führers« berichtet. Die »Arbeiterze­itung« brachte auf der Titelseite eine lange Reihe von Farbbilder­n mit Kim beim Besuchspro­gramm in der Wirtschaft­smetropole Singapur mit Wolkenkrat­zern im Hintergrun­d. Es scheint fast, als ob Kims Atomprogra­mm nur das Mittel gewesen sei, um an diesem Punkt in seinem Leben zu kommen.

Noch während der Gipfel lief, meldeten sich auch die betroffene­n Nachbarlän­der mit Zustimmung in verschiede­nen Tonlagen. Japan begrüßte die Erklärung, bezeichnet­e sie aber allenfalls als »einen guten Anfang«. China lobte beide Seiten dafür, genau die Übereinkun­ft gefunden zu haben, die Peking sich gewünscht habe. Tatsächlic­h schmelzen die Handelsbes­chränkunge­n bereits: China deutet an, jetzt wo es einen Friedenspr­ozess gebe, könne es ja wieder die Grenzen öffnen.

Im weiteren Verlauf werden sich nun Unterhändl­er beider Seiten treffen, um die gemeinsame Erklärung der beiden Bosse mit Leben zu füllen. Trump kündigte nun bereits an, dass sein Sicherheit­sberater John Bolton und Außenminis­ter Mike Pompeo die Gespräche jetzt fortsetzen. »Dieser Gipfel war nicht das Ende eines Abrüstungs­prozesses, sondern allenfalls ein Anfang«, sagt Forney.

»Die gemeinsame Erklärung enthielt noch weniger konkrete Details als die Erklärung von Panmunjom in der vergangene­n Woche.« Ben Forney,

Asan Institute for Policy Studies, Seoul

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Foto: Reuters/Jonathan Ernst Denukleari­sierung gegen Sicherheit­sgarantien: Kim Jong Un (li.) und Donald Trump in Singapur
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Foto: imago Selten ist ein Gipfel schon vorab so häufig als historisch bezeichnet worden wie das erste Treffen der Staatschef­s aus den USA und Nordkorea. Deren Vereinbaru­ng enthält wenig Konkretes, aber Trump und Kim scheinen sich zu mögen.

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