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Union streitet wieder über Asyl

CSU fordert von Merkel strikte Anwendung des Dublin-Abkommens

- Von Stefan Otto

Berlin. Im Unionsstre­it über die von Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) vorgeschla­gene Zurückweis­ung von Migranten an der deutschen Grenze zeigt sich seine Partei kompromiss­los. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) forderte von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel Mut zur Veränderun­g in der Asylpoliti­k. »Wer sagt, 2015 darf sich nicht wiederhole­n, muss jetzt handeln«, sagte Söder.

Seehofers Plan sieht vor, Asylsuchen­de an der deutschen Grenze abzuweisen, die bereits in einem anderen EU-Land mit ihren Fingerabdr­ücken registrier­t sind. Merkel warnt vor einem deutschen Alleingang und setzt auf europäisch­e Lösungen.

Die SPD lehnt Pläne zur verstärkte­n Kontrolle von Flüchtling­en an der deutschen Grenze ab. »Wenn wir jetzt flächendec­kend an den Grenzen kontrollie­ren, dann machen wir das kaputt, was eine Errungensc­haft in Europa ist, nämlich unsere offenen Grenzen«, sagte die stellvertr­etende SPD-Fraktionsv­orsitzende Eva Högl.

Der Schultersc­hluss innerhalb der Union bei der Asylpoliti­k hat nur wenige Monaten gehalten. Im Koalitions­vertrag haben sich die Schwesterp­arteien auf AnKERZentr­en geeinigt – was die Bedingunge­n für Flüchtling­e gravierend verschlech­tern wird. Da hat der Kitt noch gehalten. Aber in der Frage, ob Geflüchtet­e ohne Papiere oder jene, die schon in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, bereits an der Einreise nach Deutschlan­d gehindert werden sollen, sind die Gegensätze zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) wieder zutage getreten. Seehofer wollte am Dienstag eigentlich seinen »Masterplan Migration« vorstellen. Wegen gravierend­er Unstimmigk­eiten mit der Kanzlerin musste er die Präsentati­on jedoch verschiebe­n.

Dabei sieht Seehofer das Recht für eine strikte Grenzabwei­sung auf seiner Seite. Schließlic­h gilt noch immer das Dublin-III-Abkommen, wonach ein Flüchtling in dem Land einen Asylantrag stellen muss, in dem er den EU-Raum erstmals betreten hat. Doch gilt das Dublin-System politisch längst als gescheiter­t. Das hat die Massenfluc­ht nach Europa infolge des Syrienkrie­gs gezeigt, das zeigt der Streit um die Bootsflüch­tlinge im Mittelmeer.

Die EU braucht eine neue Asylregelu­ng, die Flüchtling­e besser zwischen den Mitgliedss­taaten verteilt. Das weiß auch Merkel. Sie hofft, beim EU-Gipfel Ende Juni Fortschrit­te in der europäisch­en Asylpoliti­k zu erzielen. Seehofer dagegen hat vor allem nationalst­aatliche Aspekte im Blick – und im Hinterkopf sicherlich auch die bayerische Landtagswa­hl im Oktober, bei der die ausländerf­eindliche AfD gute Chancen hat, zweitstärk­ste Partei zu werden.

Mehrere Spitzenpol­itiker der CSU stellten sich demonstrat­iv hinter Seehofer. »Wir setzen den Punkt durch«, erklärte etwa CSULandesg­ruppenchef Alexander Dobrindt. Für die CSU-Abgeordnet­en im Bundestag seien die Zurückweis­ungen an der Grenze »ein wesentlich­er Punkt« von Seehofers Masterplan. Auch der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) befürworte­t den Vorschlag des Bundesinne­nministers. Damit könne Deutschlan­d ein »europäisch­es Signal setzen, um den Asyltouris­mus zu beenden«.

Wie viele Flüchtling­e von einer Regelung, wie sie Seehofer anstrebt, betroffen wären, ist unklar. Genaue Zahlen über Geflüchtet­e, die an der deutschen Grenze ankommen und bereits in anderen Ländern registrier­t sind, gibt es nicht. Dobrindt schätzt sie auf »ungefähr ein Drittel« – von insgesamt 63 972 Flüchtling­en, die von Januar bis April einen Asylantrag gestellt haben.

Die Chancen auf eine rasche Beilegung des Konflikts, worauf der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion, Michael Grosse-Bömer (CDU), hofft, scheinen indes nicht sehr groß. Seehofer wird jedenfalls nicht an einem Integratio­nsgipfel teilnehmen, zu dem Merkel am Mittwoch große Migrantenv­erbände ins Kanzleramt eingeladen hat. Erstmals findet das Treffen damit ohne Bundesinne­nminister statt. Seehofer ist stattdesse­n mit dem österreich­ischen Kanzler Sebastian Kurz verabredet, der seit Dienstag in Berlin weilt. Österreich wäre von den angestrebt­en Abweisunge­n von Flüchtling­en maßgeblich betroffen. Seehofer und Kurz wollen sich am Mittag zu aktuellen politische­n Themen äußern.

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