Union streitet wieder über Asyl
CSU fordert von Merkel strikte Anwendung des Dublin-Abkommens
Berlin. Im Unionsstreit über die von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vorgeschlagene Zurückweisung von Migranten an der deutschen Grenze zeigt sich seine Partei kompromisslos. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel Mut zur Veränderung in der Asylpolitik. »Wer sagt, 2015 darf sich nicht wiederholen, muss jetzt handeln«, sagte Söder.
Seehofers Plan sieht vor, Asylsuchende an der deutschen Grenze abzuweisen, die bereits in einem anderen EU-Land mit ihren Fingerabdrücken registriert sind. Merkel warnt vor einem deutschen Alleingang und setzt auf europäische Lösungen.
Die SPD lehnt Pläne zur verstärkten Kontrolle von Flüchtlingen an der deutschen Grenze ab. »Wenn wir jetzt flächendeckend an den Grenzen kontrollieren, dann machen wir das kaputt, was eine Errungenschaft in Europa ist, nämlich unsere offenen Grenzen«, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl.
Der Schulterschluss innerhalb der Union bei der Asylpolitik hat nur wenige Monaten gehalten. Im Koalitionsvertrag haben sich die Schwesterparteien auf AnKERZentren geeinigt – was die Bedingungen für Flüchtlinge gravierend verschlechtern wird. Da hat der Kitt noch gehalten. Aber in der Frage, ob Geflüchtete ohne Papiere oder jene, die schon in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, bereits an der Einreise nach Deutschland gehindert werden sollen, sind die Gegensätze zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wieder zutage getreten. Seehofer wollte am Dienstag eigentlich seinen »Masterplan Migration« vorstellen. Wegen gravierender Unstimmigkeiten mit der Kanzlerin musste er die Präsentation jedoch verschieben.
Dabei sieht Seehofer das Recht für eine strikte Grenzabweisung auf seiner Seite. Schließlich gilt noch immer das Dublin-III-Abkommen, wonach ein Flüchtling in dem Land einen Asylantrag stellen muss, in dem er den EU-Raum erstmals betreten hat. Doch gilt das Dublin-System politisch längst als gescheitert. Das hat die Massenflucht nach Europa infolge des Syrienkriegs gezeigt, das zeigt der Streit um die Bootsflüchtlinge im Mittelmeer.
Die EU braucht eine neue Asylregelung, die Flüchtlinge besser zwischen den Mitgliedsstaaten verteilt. Das weiß auch Merkel. Sie hofft, beim EU-Gipfel Ende Juni Fortschritte in der europäischen Asylpolitik zu erzielen. Seehofer dagegen hat vor allem nationalstaatliche Aspekte im Blick – und im Hinterkopf sicherlich auch die bayerische Landtagswahl im Oktober, bei der die ausländerfeindliche AfD gute Chancen hat, zweitstärkste Partei zu werden.
Mehrere Spitzenpolitiker der CSU stellten sich demonstrativ hinter Seehofer. »Wir setzen den Punkt durch«, erklärte etwa CSULandesgruppenchef Alexander Dobrindt. Für die CSU-Abgeordneten im Bundestag seien die Zurückweisungen an der Grenze »ein wesentlicher Punkt« von Seehofers Masterplan. Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) befürwortet den Vorschlag des Bundesinnenministers. Damit könne Deutschland ein »europäisches Signal setzen, um den Asyltourismus zu beenden«.
Wie viele Flüchtlinge von einer Regelung, wie sie Seehofer anstrebt, betroffen wären, ist unklar. Genaue Zahlen über Geflüchtete, die an der deutschen Grenze ankommen und bereits in anderen Ländern registriert sind, gibt es nicht. Dobrindt schätzt sie auf »ungefähr ein Drittel« – von insgesamt 63 972 Flüchtlingen, die von Januar bis April einen Asylantrag gestellt haben.
Die Chancen auf eine rasche Beilegung des Konflikts, worauf der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Bömer (CDU), hofft, scheinen indes nicht sehr groß. Seehofer wird jedenfalls nicht an einem Integrationsgipfel teilnehmen, zu dem Merkel am Mittwoch große Migrantenverbände ins Kanzleramt eingeladen hat. Erstmals findet das Treffen damit ohne Bundesinnenminister statt. Seehofer ist stattdessen mit dem österreichischen Kanzler Sebastian Kurz verabredet, der seit Dienstag in Berlin weilt. Österreich wäre von den angestrebten Abweisungen von Flüchtlingen maßgeblich betroffen. Seehofer und Kurz wollen sich am Mittag zu aktuellen politischen Themen äußern.