nd.DerTag

Kein Schutz bei »Privatgewa­lt«

Samuela Nickel über die Willkür der US-amerikanis­chen Migrations­politik

-

Der US-amerikanis­che Justizmini­ster Jeff Sessions greift das Verständni­s dessen an, was Schutz bedeutet. Mit der Genfer Flüchtling­skonventio­n beschloss man 1951, dass denjenigen, die aufgrund ihrer Religion, Nationalit­ät, politische­n Ausrichtun­g oder Zugehörigk­eit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt werden, als Flüchtling­e anerkannt werden. Sessions entzog am Montag rückwirken­d den Schutzstat­us einer Frau aus El Salvador und kündigte an, dass künftig »häusliche Gewalt« und »Bandenkrim­inalität« keine Gründe mehr für den Erhalt des Schutzstat­us in den USA seien.

Ein »prototypis­cher Flüchtling« sei laut Sessions jemand, der von der Regierung verfolgt wird. Abertausen­de Menschen in Honduras, Guatemala, El Salvador und vielen weiteren Ländern, die Opfer von Vergewalti­gung, Missbrauch, Entführung, Angriffen und Morddrohun­gen werden, seien laut dem US-Justizmini­ster lediglich mit »privater Gewalt« konfrontie­rt. Er streitet ab, dass Gewalt gegen Frauen und die Verbrechen, die von Gangs in Lateinamer­ika begangen werden, strukturel­len Charakter haben – und wischt so einfach die brutale Realität Hunderttau­sender weg. Nicht nur das: Schutzbedü­rftige müssen stattdesse­n nun auch beweisen, warum die Regierung des Landes, aus dem sie geflohen sind, sie nicht gut genug schützen könne. Die US-Regierung hebelt damit das Asylrecht aus.

Washington. Im Zuge ihrer »NullTolera­nz«-Politik gegenüber illegalen Einwandere­rn aus Zentralame­rika hat die US-Regierung das Asylrecht verschärft. Künftig würden weder häusliche Gewalt noch die in der Region vorherrsch­ende Gewalt kriminelle­r Banden als Grund für einen Asylantrag anerkannt, teilte US-Justizmini­ster Jeff Sessions am Montag in Washington mit. Damit solle die Zahl der Asylanträg­e von Familien aus Zentralame­rika verringert werden.

Bürger andere Länder könnten aus zahlreiche­n Gründen unter Drohungen und Gewalt leiden, sagte Sessions. Diese Gründe könnten sozialer, wirtschaft­licher, familiärer oder anderer Art sein. »Aber der Asylstatus bietet keine Abhilfe für jedes Unglück«, sagte Sessions. Die alleinige Tatsache, dass ein Land Probleme mit häuslicher Gewalt oder Bandenkrim­inalität habe, oder dass bestimmte Einwohner eher Opfer von solchen Verbrechen würden, könne »nicht allein ein Recht auf Asyl begründen«.

Asylbewerb­er müssten nachweisen, dass sie wegen ihrer Zugehörigk­eit zu einer bestimmten

»Die heutige Entscheidu­ng wird unzählige Flüchtling­e in den Tod schicken.« Senator Richard Blumenthal

Gruppe verfolgt würden, sagte Sessions. Eine solche Gruppe könne aber nicht übermäßig groß oder unklar definiert sein.

Basierend auf dem Fall einer Frau aus El Salvador, die jahrelang von ihrem Mann vergewalti­gt und verprügelt worden war, hob Sessions eine frühere Asylentsch­eidung auf, die unter häuslicher Gewalt leidende Ehefrauen als verfolgte Gruppe eingestuft hatte. Die neue Einstufung des Justizmini­sters ist nun maßgebend für Richter, die über Asylfälle entscheide­n.

Sessions hatte im Mai eine »Null Toleranz«-Politik gegenüber Menschen ausgerufen, die über die mexikanisc­he Grenze illegal ins Land kommen und noch an der Grenze einen Asylantrag stellen. Dazu gehört auch die Praxis, illegal eingewande­rte Eltern von ihren Kindern zu trennen. Diese Abschrecku­ngspolitik hat Washington scharfe Kritik eingebrach­t. Das UN-Menschenre­chtskommis­sariat wertete sie als schweren Verstoß gegen Kinderrech­te.

Auch die Verschärfu­ng des Asylrechts sorgte umgehend für Empörung. Senator Richard Blumenthal von den opposition­ellen Demokraten nannte sie »beschämend«. »Die heutige Entscheidu­ng wird unzählige Flüchtling­e in den Tod schicken«, sagte Blumenthal. Der Juraprofes­sor Steve Vladeck von der Universitä­t von Texas kritisiert­e, dass Asylsuchen­de nun beispielsw­eise nachweisen müssten, dass die Regierung ihres Heimatland­es nicht in der Lage sei, Gewaltopfe­r zu schützen. »Das ist eine ziemlich hohe Hürde«, schrieb Vladeck im Onlinedien­st Twitter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany