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»Aquarius« wird in spanischer Hafenstadt Valencia anlegen

UN warnen vor Tragödie bei weiterer Abweisung von Rettungssc­hiffen

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Für die »Aquarius« ist eine Lösung gefunden. Ihre Insassen werden im spanischen Valencia anlanden. Doch der Fall wirft grundsätzl­iche Fragen zur europäisch­en Flüchtling­spolitik auf.

Frankfurt am Main. Das Rettungssc­hiff »Aquarius« wird in der spanischen Hafenstadt Valencia anlegen. Das kündigten die spanischen Behörden und die Organisati­on »Ärzte ohne Grenzen«, die das Schiff zusammen mit SOS Mediterran­ée betreibt, an. Italienisc­he Marineschi­ffe werden nach Anweisung der Seenot-Rettungsle­itstelle in Rom 400 der 629 Flüchtling­e und Migranten von der »Aquarius« übernehmen und sie nach Valencia bringen, wie »Ärzte ohne Grenzen« erklärte. Die »Aquarius« selbst werde mit den restlichen 229 Insassen folgen. Seit dem Wochenende harrte das Schiff in Mittelmeer aus, weil die neue italienisc­he Regierung die Häfen für die Retter geschlosse­n hat.

Die Internatio­nale Organisati­on für Migration (IOM) warnte vor weiteren Zurückweis­ungen von Rettungssc­hiffen im Mittelmeer. Eine große Tragödie für die verzweifel­ten Menschen an Bord wäre die Folge, erklärte IOM-Generaldir­ektor William Swing am Dienstag in Genf. Die Blockade habe keinen »abschrecke­nden« Effekt auf andere Menschen, die über das Mittelmeer die Staaten Europas erreichen wollten. Die EU müsse sichere und legale Wege für die Migration schaffen.

SOS Mediterran­ée äußerte sich erleichter­t über die Lösung Valencia. Allerdings bedeute dies auch eine unnötige Verzögerun­g für die Geretteten und eine Verringeru­ng der Rettungska­pazitäten. Die Notfall-Koordinato­rin von »Ärzte ohne Grenzen«, Karline Kleijer, erklärte: »Diese Situation zeigt klar, dass Europa seinen moralische­n Kompass im Mittelmeer verloren hat.«

Die spanische Regierung hatte am Montag angeboten, die »Aquarius«

aufzunehme­n. Auf dem Schiff befanden sich den Hilfsorgan­isationen zufolge Geflüchtet­e, die am Wochenende vor der libyschen Küste gerettet wurden, darunter sieben Schwangere, zahlreiche Kinder und Verletzte.

Der italienisc­he Innenminis­ter und stellvertr­etende Ministerpr­äsident Matteo Salvini von der rechtsradi­kalen Lega hatte am Sonntagabe­nd angekündig­t, keine Flüchtling­sschiffe mehr in die Häfen seines Landes zu lassen. EU, Bundesregi­erung und Menschenre­chtler hatten die Beteiligte­n aufgerufen, eine schnelle Lösung zu finden und ihrer humanitäre­n Pflicht nachzukomm­en. Zahlreiche italienisc­he Bürgermeis­ter hatten gegen Salvinis Entscheidu­ng protestier­t und ihre Häfen für die »Aquarius« angeboten. Rettungssc­hiffe müssen jedoch die Anweisunge­n der SeenotRett­ungsleitst­elle in Rom befolgen.

Der Geschäftsf­ührer der Deutschen Sektion von »Ärzte ohne Grenzen«, Florian Westphal, wies darauf hin, dass die Zahl der Flüchtling­e aus Libyen in den Sommermona­ten weiter steigen werde. Mit der Sperrung der italienisc­hen Seehäfen und dem wachsenden Druck auf die Seenotrett­er der Hilfsorgan­isationen werde bewusst in Kauf genommen, dass die Menschen im Mittelmeer ertrinken werden. »Die Frage ist, bedeutet das Internatio­nale Seenotrech­t, nachdem wir handeln, innerhalb der EU noch etwas, oder nicht?«

Der Sprecher der Rettungsor­ganisation Sea-Watch, Ruben Neugebauer, rief die EU zum Eingreifen auf. »Europa muss Verantwort­ung übernehmen, einen Verteilmec­hanismus einführen und Dublin aussetzen«, forderte Neugebauer im WDR-Radio. Die Dublin-Regelungen, wonach das Land der Ersteinrei­se in die EU zuständig für die Flüchtling­e ist, sei der Grund für den Streit um die »Aquarius«. Das Rettungssc­hiff der Organisati­on, die »Sea Watch 3«, ist derzeit im Auftrag der italienisc­hen Seenot-Rettungsle­itstelle vor der libyschen Küste unterwegs.

»Diese Situation zeigt klar, dass Europa seinen moralische­n Kompass im Mittelmeer verloren hat.«

Karline Kleijer, »Ärzte ohne Grenzen«

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