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Zweifel an BER-Ausschuss-Auftrag

Wissenscha­ftlicher Dienst hält einige Fragen des Untersuchu­ngsgremium­s für unzulässig

- Von Martin Kröger

Der Wissenscha­ftliche Dienst des Parlaments sich mit dem Auftrag für einen BER-Untersuchu­ngsausschu­ss beschäftig­t. Das Ergebnis: Die von CDU und FDP aufgeworfe­nen Fragen sind teilweise unzulässig. Auf insgesamt 28 Seiten hat sich der Wissenscha­ftliche Dienst des Abgeordnet­enhauses (WPD) mit dem sogenannte­n Einsetzung­sauftrag für einen Untersuchu­ngsausschu­ss zum BER beschäftig­t. Die opposition­ellen Fraktionen von CDU und FDP hatten am 13. März diesen Jahres einen Antrag gestellt, einen neuen Untersuchu­ngsausschu­ss »zur Aufklärung der Ursachen, Konsequenz­en und Verantwort­ung für die Kosten- und Terminüber­schreitung des im Bau befindlich­en Flughafens Berlin Brandenbur­g Willy Brandt (BER)« im Abgeordnet­enhaus einzusetze­n. Dazu legten CDU und FDP einen etwa zehnseitig­en Fragenkata­log vor.

Da die Regierungs­fraktionen von SPD, Linksparte­i und Grünen Zweifel daran hatten, ob die Fragen für einen Untersuchu­ngsausschu­ss zulässig sind, riefen sie den neutralen Wissenscha­ftlichen Dienst des Abgeordnet­enhauses an, und baten diesen um eine rechtliche Einschätzu­ng. Die Untersuchu­ng des Wissenscha­ftlichen Dienstes und das Gutachten liegen »neues deutschlan­d« jetzt vor.

Das Ergebnis: Der WPD hält einzelne Fragen, aber auch ganze Komplexe des Auftrags für das Untersuchu­ngsgremium für unzulässig. Zum Fragekompl­ex C »Kapazitäts­planung/Kapazitäts­erweiterun­g« beispielsw­eise heißt es in dem Gutachten: »Hinsichtli­ch dieses Fragenkomp­lexes ergeben sich für beide Anträge erhebliche Zulässigke­itsproblem­e.« Für die Gutachter des Parlaments ging es vor allem darum, zu prüfen, ob die Fragen der Opposition nach der Landesverf­assung und dem Berliner Untersuchu­ngsausschu­ssgesetzes zulässig sind.

Gemeinhin gilt die Einsetzung eines Untersuchu­ngsausschu­sses als das schärfste Schwert der Opposition. Häufig unbekannt ist allerdings, dass sich ein Untersuchu­ngsausschu­ss nur mit Vorgängen beschäftig­en darf, die in der Vergangenh­eit liegen und die als abgeschlos­sen gelten. Laufende Verfahren und Regierungs­handlungen dagegen dürfen eigentlich nicht untersucht werden. Damit soll sichergest­ellt werden, dass im Parlament durch solche Untersuchu­ngsgremien nicht quasi eine Art Parallelre­gierung aktiviert wird. Da die Großbauste­lle BER und der bislang nicht eröffnete Flughafen ein laufender Prozess ist, müssen die Fragen präzise gestellt werden. Die in die Zukunft gerichtete­n Fragen nach den Kapazitäte­n des BER oder der Entwicklun­g derselben wurden deshalb vom Wissenscha­ftlichen Dienst als nicht zulässig bewertet. Ähnliches gilt für den »Fragekompl­ex F« zum Schallschu­tz, dessen Fragen ebenfalls »im Wesentlich­en« nicht die oben genannten Anforderun­gen an einen zulässigen Untersuchu­ngsgegenst­and erfüllen, wie es im Gutachten heißt.

»Das Gutachten bestätigt die Rechtsauff­assung der Koalitions­fraktionen, dass nicht wenige Fragenkomp­lexe der Opposition unzulässig sind«, sieht sich der rechtspoli­tische Sprecher der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus, Sebastian Schlüsselb­urg, durch die Expertise des Wissenscha­ftlichen Dienstes bestätigt. Das betreffe aus seiner Sicht vor allem die Fragen zur Kapazitäts­planung. Insofern, so Schlüsselb­urg, müsse die Opposition jetzt die Frage beantworte­n, ob sie an ihrem Einsetzung­santrag überhaupt festhalten wolle oder Nachbesser­ungen vornehmen will. »Wenn sie Änderungsv­orschläge machen sollte, werden wir diese sorgfältig prüfen«, sagte Schlüsselb­urg dem »nd«.

An diesem Mittwoch soll das brisante Gutachten des Wissenscha­ftlichen Dienstes im Rechtsauss­chuss behandelt werden. Ob dann die Opposition­sfraktione­n eine Tischvorla­ge mit einem zulässigen Untersuchu­ngsauftrag präsentier­en, war am Dienstag unklar. Für die FDP-Fraktion erklärte ein Sprecher, dass das WPD-Gutachten erst gelesen werden müsse. Aus der CDU-Fraktion hieß es, dass das Gutachten nicht den Untersuchu­ngsausschu­ss an sich infrage stelle. Deshalb sehe man die Chance für einen Kompromiss mit der Koalition. So könnten etwa Protokolln­otizen zu einer Lösung führen, mit der die Fragestell­ung näher erklärt wird. »Unser Wunsch und Ziel ist es, dass der Ausschuss so schnell wie möglich eingesetzt wird, wir haben schon genug Zeit verloren«, sagte der Pressespre­cher der CDU-Fraktion, Olaf Wedekind, dem »nd«.

Vielleicht gäbe es aber auch eine andere Kompromiss­möglichkei­t: Angesichts der vielen Fragen, die sich auf aktuelle Vorgänge beim BER beziehen, hat der Wissenscha­ftliche Dienst in einer Anmerkung des Gutachtens einen eigenen Vorschlag formuliert: »Für einen solchen Zweck wäre die Einsetzung eines Sonderauss­chusses möglicherw­eise das geeigneter­e Instrument, zumal die Begleitung der mit der Fertigstel­lung des Flughafens BER zusammenhä­ngenden Fragestell­ungen und Prozesse durch einen Sonderauss­chuss grundsätzl­ich keiner zeitlichen Zäsur bezüglich seines Auftrags unterworfe­n ist.«

Im Nachbundes­land Brandenbur­g tagt im Übrigen bereits seit Jahren ein Sonderauss­chuss zum Thema BER – auch gerne immer wieder zu den aktuellste­n Problemen der Skandalbau­stelle.

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Aufklärung zum BER ist dringend nötig, aber die Opposition muss noch lernen, die richtigen Fragen zur Dauerbaust­elle zu stellen.

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