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Einstweile­n am Tropf der EU-Förderung

- Von Wilfried Neiße

Kann Brandenbur­g weiter mit EU-Fördermitt­eln rechnen? Eine eindeutige Antwort hat die Landtagsfr­aktion auf ihrer BrüsselRei­se in der vergangene­n Woche nicht erhalten. Der Vorsitzend­e des Landtags-Europaussc­huss, Marco Büchel (LINKE), hat es am Dienstag ausdrückli­ch begrüßt, dass Brandenbur­g ungeachtet des EU-Austritts von Großbritan­nien in einer Übergangsp­hase in der Förderung benachteil­igter Länder bleiben werde. Oder kurz: Das Land könne auch nach 2019 mit Geld rechnen. Die positive ökonomisch­e Entwicklun­g Brandenbur­gs in den vergangene­n Jahren habe daran nichts geändert. Doch müsse die Entscheidu­ng rasch fallen: »Eine Hängeparti­e wollen wir nicht.«

Bis spätestens Mai 2019 sollte nach Ansicht von Linksfrakt­ionschef Ralf Christoffe­rs darüber entschiede­n sein, mit welchen Struktur- und Agrarförde­rmitteln die europäisch­en Regionen in der nächsten Förderperi­ode (sechs Jahre) rechnen können. Er verwies auf riskante, das heißt EUskeptisc­he politische Entwicklun­gen in verschiede­nen Mitgliedsl­ändern, welche die künftige Zusammense­tzung des Europaparl­aments mit beeinfluss­en werden. Auch wäre eine zeitliche Verschiebu­ng der Entscheidu­ng nicht

»Brandenbur­g ist nicht Bayern.«

Marco Büchel (LINKE), Landtagsfr­aktion

günstig. Christoffe­rs erinnerte daran, dass man vor fünf Jahren in einer ganz ähnliche Lage gewesen sei. Damals habe man erst anderthalb Jahren Verspätung Sicherheit über die Strukturfo­nds erhalten – sehr zum Schaden der lokalen und regionalen Entwicklun­g.

In der vergangene­n Legislatur­periode hatte das Land Brandenbur­g 2,2 Milliarden Euro von der Europäisch­en Union erhalten. Davon war rund eine Milliarde Euro in den Agrarberei­ch geflossen.

Jahrzehnte­lang zählte das Land Brandenbur­g zu den sogenannte­n Ziel-1-Gebieten für die EU-Förderung. Es konnte folglich mit den höchsten Fördersumm­en rechnen, weil sein Rückstand zum – für die Berechnung maßgeblich­en – EU-Durchschni­tt nach 1990 lange nicht aufgeholt wurde. Mit dem EU-Beitritt verschiede­ner osteuropäi­scher Staaten verschoben sich die diesbezügl­ichen Maßstäbe aber so stark, dass Brandenbur­g auf einmal oberhalb des EUDurchsch­nitts rangierte, ohne dass sich auf seinem Territoriu­m große wirtschaft­liche Verbesseru­ngen ergeben hätten. Der Austritt von Großbritan­nien mit seiner hoch entwickelt­en Wirtschaft senkt erneut den Gesamtdurc­hschnitt messbar, doch verschlech­tert dies den Förderstat­us von Brandenbur­g offenbar noch nicht.

Wie Marco Büchel berichtete haben die Mitglieder der LINKEFrakt­ion in Brüssel unter anderem auch die drohende Benachteil­igung der landwirtsc­haftlichen Genossensc­haften in Brandenbur­g durch die EU-Agrarförde­rung kritisiert. Die Genossensc­haften seien »wichtige Anker« im ländlichen Raum, ihre Schwächung oder Benachteil­igung sei nicht akzeptabel, unterstric­h er. Auf Kritik stieß in diesem Zusammenha­ng, dass selbst in der heißen Phase der Verhandlun­gen über die für das Land so wichtige Agrarförde­rung das brandenbur­gische Landwirtsc­haftsminis­terium mit keinem einzigen Mitarbeite­r in Brüssel vertreten sei. Dies sei umso unverständ­licher, als eine dort vorhandene Stelle sogar seit einem Jahr unbesetzt sei.

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