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Flüchtling­e an der Universitä­t willkommen

Omar Alkhouja floh einen Monat vor seinem Abschluss aus Syrien, jetzt will er in Frankfurt (Oder) studieren

- Von Jeanette Bederke dpa

Mit dem Projekt »Welcome@Viadrina« werden Flüchtling­e auf ein Studium vorbereite­t. Zwei Semester lang lernen sie Deutsch und anderes Grundwisse­n. Eine Studentin gibt es bereits. »Das Studium ist schwer, aber ich schaffe das«, sagt Mina Saeedi (Name geändert). Die Unsicherhe­it in ihrer Stimme ist dabei nicht zu überhören. Die 29-Jährige stammt aus dem Iran und studiert an der Europa-Universitä­t Viadrina in Frankfurt (Oder) Kulturwiss­enschaften. Das allein wäre nichts Besonderes an einer Hochschule, an der ein Viertel der rund 6500 Studenten aus dem Ausland stammt, sehr viele davon aus Polen. Was jedoch keiner von Minas Kommiliton­en weiß: Die junge Frau ist die erste, die das Flüchtling­s-Projekt »Welcome@Viadrina« erfolgreic­h absolviert hat.

»Das Projekt hat mich quasi wieder belebt. Die Leute haben mich auf dem ganzen, schweren Weg begleitet und sind immer noch für mich da«, sagt Mina, die in ihrer Heimat bereits Persisch und Italienisc­h studiert hat. Seit knapp zwei Jahren bemüht sich die Hochschule mit finanziell­er Unterstütz­ung des Deutschen Akademisch­en Austauschd­ienstes und des Landes Brandenbur­g nun um den akademisch­en Wiedereins­tieg von Flüchtling­en.

»Es ging los mit Deutschkur­sen, doch wir merkten schnell, dass die Sprachkenn­tnisse allein nicht genug sind für eine Studienvor­bereitung«, erinnert sich Projektass­istentin An- nelen Horsas, die selbst aus Norwegen stammt. Inzwischen gehört zu den zwei Vorbereitu­ngssemeste­rn auch Grundwisse­n in Wirtschaft­soder Kulturwiss­enschaften. Mathematik und Mikroökono­mie stehen auf dem Stundenpla­n oder auch Workshops und Fachsprach­en-Lektionen. Zu den Kursen kommen die Flüchtling­e, die in Ostbranden­burg, Potsdam oder Berlin leben, fast täglich an die Universitä­t. »Seit Projektbeg­inn haben wir rund 50 Flüchtling­e betreut. Anfangs sprangen allerdings viele von ihnen wieder ab. Inzwischen sind das Interesse und auch der Wille groß«, sagt Horsas, die bereits Bewerbunge­n für die nächsten Vorbereitu­ngskurse bekommen hat. Mina sei das »Versuchska­ninchen« für das Projekt gewesen. »Wir nutzen ihre Erfahrunge­n, um die Kurse noch optimaler zu gestalten«, erklärt Horsas.

Die Iranerin gehört zu jenen Flüchtling­en, die keine Nachweise ihrer Hochschulr­eife vorlegen können, einfach weil sie auf der Flucht verloren gegangen sind. »Für diese Betroffene­n gibt es eine fachliche Zugangsprü­fung«, sagt die Projektass­istentin. Aktuell betreuen sie und die Projektlei­terin zusammen mit studentisc­hen Hilfskräft­en, Sprachdoze­nten und Tutoren 24 Flüchtling­e, hauptsächl­ich aus Syrien, Afghanista­n, Iran und Russland. Zehn von ihnen, sagt Horsas, werden zum nächsten Winterseme­ster ihr Studium beginnen können. Zu ihnen gehört Omar Alkhouja aus Syrien. Für ihn war der Nachweis einer Studienqua­lifikation nicht schwer. Konnte er doch die nötigen Papiere vorlegen, die beweisen, dass er in Damaskus Management und Buchhaltun­g studiert hat.

»Ich hatte noch einen Monat bis zum Abschluss, sollte aber plötzlich zur Armee und in den Krieg«, erzählt der 27-Jährige, der die Flucht ergriff. Lieber verliere er einige Jahre beim Studium, als das Leben, sagt Omar, der in Strausberg lebt und dort auch gerne bleiben möchte. Vorerst hat er eine Aufenthalt­sgestattun­g für drei Jahre, die verlängert werden kann und ihn berechtigt, das Semesterti­cket für die tägliche Fahrerei zu nutzen. Nach dem Studium der Wirtschaft­swissensch­aften möchte er in einer großen deutschen Firma arbeiten, sagt der Syrer.

Mina hingegen zieht es nach Hause. »Ich musste fliehen, weil ich vom Islam zum Christentu­m konvertier­t bin. Meine Eltern haben mich über Jahre versteckt.« Sobald es in ihrer Heimat keine Probleme mehr mit der Religion gebe, wolle sie zurück – natürlich mit einem Abschluss als Kulturwiss­enschaftle­rin. Das wird schwer. Da die in Beeskow lebende 29-Jährige bisher kein anerkannte­r Asylbewerb­er ist, kann sie kein Bafög beantragen, darf nicht arbeiten, um Geld zu verdienen, und ist auf finanziell­e Unterstütz­ung deutscher Familien angewiesen. »Die habe ich über die Kirche kennen gelernt«, erzählt sie. Dass sie 2016 als Flüchtling nach Deutschlan­d kam, behält die zurückhalt­ende Iranerin an der Universitä­t für sich. Keiner ihrer Kommiliton­en kennt ihr Schicksal. »Die Deutschen haben ein falsches Bild, denken Flüchtling­e sind arm und haben keine Bildung«, so ihre Erfahrung.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Omar Alkhouja sitzt in einem Hörsaal der Universitä­t Viadrina.

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