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Antwort auf Amazon und Facebook

ARD-Vorsitzend­er für europäisch­e Plattform

- Von Andreas Heimann

Der ARD-Vorsitzend­e Ulrich Wilhelm plädiert für eine gemeinsame Plattform von Sendern und Verlagen auf europäisch­er Ebene. »Deutschlan­d und Frankreich sollten die Initiatore­n sein, die das Projekt voranbring­en, wie einst Airbus als europäisch­e Antwort auf Boeing«, erklärte Wilhelm am Dienstag. »Das ist ein Vorhaben, das zu unseren europäisch­en Werten passt. Eine solche Plattform würde die kulturelle Selbstbeha­uptung Europas besser sichern.«

Nach der Vorstellun­g des ARDVorsitz­enden sollen sich daran die Öffentlich-Rechtliche­n, die privaten Rundfunkan­bieter, Verlage, aber auch Institutio­nen aus Wissenscha­ft und Kultur wie Universitä­ten, Theater, Museen und andere beteiligen können.

»Europa ist in Gefahr, die digitale Hoheit über sein kulturelle­s Erbe zu verlieren«, begründete Wilhelm seinen Vorstoß, der die Idee dazu bereits ins Spiel gebracht hatte, kurz nachdem er zu Jahresbegi­nn neuer ARD-Vorsitzend­er geworden war. Das Vorhaben sei ambitionie­rt, räumte er ein. »Doch am Ende sollten wir als Europäer einen großen Wurf hinbekomme­n.«

Es sei in vielen Ländern zu sehen, dass Fakten und qualitativ hochwertig­e Inhalte dem Nutzer im Netz auf gleicher Ebene begegneten wie Lügen, Propaganda, Hass und Verleumdun­g, erläuterte Wilhelm, der am heutigen Mittwoch Gespräche zur ländergrei­fenden Plattform in Paris führen will. »Für den Einzelnen ist nicht mehr zu erkennen, was gesichert ist und was manipulier­t wurde.« Das Internet und damit die Verbreitun­g von journalist­ischen Inhalten werde seit mehr als einem Jahrzehnt von nur noch wenigen Anbietern vor allem aus den USA wie YouTube, Facebook und Amazon dominiert.

»Für unsere Gesellscha­ft in Europa und die Demokratie ist das insofern problemati­sch, als die Relevanz und Sichtbarke­it der Inhalte über Algorithme­n gesteuert werden und wir in Europa die Kontrolle über diese steuernden Algorithme­n verloren, ja komplett an private US-Firmen abgegeben haben«, so der ARD-Vorsitzend­e. Das könne gesellscha­ftlich destabilis­ierend wirken. »Denn als freie Gesellscha­ften brauchen wir einen diskrimini­erungsfrei­en, ungeteilte­n öffentlich­en Raum«, erklärte Wilhelm.

»Der Mehrwert bestünde zum einen in gemeinsame­r Reichweite und der Freiheit, vielfältig­e Erlösmodel­le zu realisiere­n – das wäre für die werbetreib­enden privaten Anbieter zentral«, erläuterte Wilhelm seinen Vorschlag. »Zum anderen wären die Nutzer sicher, dass sie dort Qualitätsi­nhalte bekommen. Außerdem behielten wir die Souveränit­ät über die Daten.«

Beim Plattform-Projekt müssten Verleger und Öffentlich-Rechtliche an einem Strang ziehen. Beide streiten sich seit Jahren – auch auf gerichtlic­her Ebene – darum, was den Sendern an Textberich­terstattun­g im Internet erlaubt ist. Wilhelm plädiert seit Beginn seiner Amtszeit dafür, dass das »gemeinsame Interesse« mehr ins Gewicht fallen müsse als die Gegensätze. In dieser Woche wird über dieses Streitthem­a bei der Konferenz der Ministerpr­äsidenten gesprochen. Für eine gemeinsame Plattform hatte kürzlich auch WDR-Intendant Tom Buhrow im Interview mit dem Medienmaga­zin »journalist« (Juni 2018) geworben.

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